Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Qualitätsprüfung bei ambulantem Pflegedienst. Transparenz der Prüfergebnisse. Fehlerhaftigkeit des Prüfberichts. Ankündigung der Veröffentlichung des Transparenzberichts. einstweiliger Rechtsschutz. Sicherungsanordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die bei dem ambulanten Pflegedienst für den Qualitätsbereich 2 erzielten Ergebnisse sind auch dann repräsentativ und stehen insoweit im Einklang mit § 2 PTVA in der auf Qualitätsprüfungen ab dem 1.1.2017 anzuwendenden Fassung, wenn auf maximal drei von den acht überprüften Pflegebedürftigen ein Kriterium zutrifft.
2. Der Inhalt des Prüfberichts ist falsch, wenn nicht alle überprüften Pflegebedürftigen, auf die ein bestimmtes Kriterium aus den Qualitätsbereichen zutrifft, in dessen Bewertung einbezogen werden.
Orientierungssatz
Da weder in der Ankündigung der Veröffentlichung eines Transparenzberichts noch in dem Transparenzbericht oder der Veröffentlichung selbst ein Verwaltungsakt liegt, kann vorläufiger Rechtsschutz zur Abwehr drohenden Verwaltungshandelns nur über den Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 86b Abs 2 S 1 SGG erreicht werden.
Tenor
1. Die Antragsgegner werden verpflichtet, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, die Veröffentlichung des Transparenzberichts zu den Ergebnissen der Qualitätsprüfung vom 30. Mai 2017 und 31. Mai 2017 über den ambulanten Pflegedienst der Antragstellerin im Internet oder in sonstiger Weise sowie dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung zu unterlassen.
2. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens über die Rechtmäßigkeit der geplanten Veröffentlichung eines Transparenzberichtes anlässlich einer bei der Antragstellerin durchgeführten Qualitätsprüfung.
Die Antragstellerin betreibt eine seit dem 1. April 1995 zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung im Sinne der §§ 71ff Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) in L. W., welche insgesamt 212 Pflegebedürftige (Stand: Mai 2017) betreut und versorgt. Am ... 2017 sowie am ... 2017 fand in dieser Einrichtung eine Qualitätsprüfung nach den §§ 114ff SGB XI durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) statt. Dabei handelte es sich um eine Regelprüfung, anlässlich derer die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität des Pflegedienstes überprüft wurde. In die Bewertung flossen acht, stichprobenhaft ermittelte und von der Antragstellerin betreute Pflegebedürftige ein. Der Prüfbericht nach § 114 SGB X datiert vom 20. Juni 2017. Aus diesen Daten heraus wurde der vorläufige Transparenzbericht erstellt und der Antragstellerin per Email vom 23. Juni 2017 zugänglich gemacht. Dieser wies folgende Gesamtbewertung aus:
Qualitätsbereiche Ergebnis der Qualitätsprüfung
Nr. 1: Pflegerische Leistungen 1,7 (gut)
(bis zu 17 Kriterien)
Nr. 2: Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen 5,0 (mangelhaft)
(bis zu 8 Kriterien)
Nr. 3: Dienstleistung und Organisation 1,0 (sehr gut)
(bis zu 9 Kriterien)
Rechnerisches Gesamtergebnis 2,1 (gut)
(bis zu 34 Kriterien)
Nr. 4: Befragung der pflegebedürftigen Menschen 1,0 (sehr gut)
(bis zu 12 Kriterien)
Im Rahmen des Qualitätsbereiches 2, der ärztlich verordnete pflegerische Maßnahmen zum Inhalt hat, wurden nach der "Vereinbarung nach § 115 Abs. 1a Satz 8 SGB XI über die Kriterien der Veröffentlichung sowie die Bewertungssystematik der Qualitätsprüfungen nach § 114 Abs. 1 SGB XI von ambulanten Pflegediensten" vom 7. Dezember 2015 - Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA) - acht Bewertungskriterien für die Pflegequalität von ambulanten Pflegediensten festgelegt (Kriterien lfd. Nr. 18 - 25). Auf die in die Prüfung einbezogenen pflegebedürftigen Menschen trafen drei Kriterien (lfd. Nr. 21 bis 23) überhaupt nicht zu. Lediglich die anderen Kriterien fanden teilweise Eingang in den Prüfbericht und wurden unter Berücksichtigung des Inhaltes der jeweiligen ärztlichen Verordnung wie folgt einbezogen und bewertet:
Person ärztliche Verordnung Krit.18 Krit.19 Krit.20 Krit.24 Krit.25 (Pflegegrad)
P1 keine (PG 3)
P2 7x tgl. Medikamente herrichten und verabreichen ja ja (PG 4) 1x tgl. Kompressionsstrümpfe anlegen ja
P3 2x tgl. Medikamente herrichten und verabreichen (PG 3) 1x tgl. Anlegen und Wechseln Wundverband nein nein 1x tgl. Anlegen und Wechseln Wundverband (suprapubischer Katheder ab 29.05.2017)
P4 1x wöchentlich Medikamente herrichten (PG 2) (Medikamentenbox) 1x tgl. Kompressionsstrümpfe an- und ausziehen ja
P5 2x tgl. Medikamente herrichten und verabreichen (PG 5) 2x wöchentlich Verbandswechsel
P6 2x tgl. Medikamente herrichten und verabreichen nein nein (PG 3) 1x tgl. Kompressionsstrümpfe an- und ausziehen ja 4x tgl. Verabreichen von Augentropfen
P7 1x wöchentlich Medikamente herrichten (PG 2) (Medikamentenbox)
P8 1x wöchentlich Medikamente herrichten (PG2) (Medikamentenbox)
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