Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Umfang der Amtsermittlungspflicht des Gerichts zur Abklärung der gesundheitlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente
Orientierungssatz
1. Hat das Gericht in einem sozialgerichtlichen Verfahren über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente auf der Basis bestehender Befunde ein Sachverständigengutachten eingeholt, so muss es im Rahmen der Amtsermittlungspflicht jedenfalls dann kein weiteres Gutachten in Auftrag geben, wenn seit der Begutachtung keine neuen fachärztlichen Behandlungen des Betroffenen stattfanden und auch keine neuen Befunde erhoben wurden.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente (hier: Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen verneint).
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am … 1966 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 12.06.2012 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Beklagten lag ein orthopädisches Gutachten der Dr. W vom 23.02.2011 vor, in dem ein Leistungsvermögen von über sechs Stunden für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten, im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen unter Vermeidung von Zwangshaltung und Verdrehbewegung des Rumpfes, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne das Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne häufiges Treppensteigen sowie ohne kniende und hockende Tätigkeiten eingeschätzt wurde. Nach Einholung eines Befundberichtes der Allgemeinmedizinerin Dr. J vom 13.08.2012 mit orthopädischen und radiologischen Befunden aus August 2011 sowie Januar und April 2012 beauftragte die Beklagte den Facharzt für Orthopädie Dr. W mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. In seinem Gutachten vom 24.10.2012 diagnostizierte der Sachverständige beim Kläger chronisch-degeneratives Lumbalsyndrom, lumbales Wurzelreizsyndrom rechts (L4/5 und L5/S1), chronisch degeneratives Cervicalsyndrom, latente talocrurale Chondropathie rechts, latente humero-ulnare Chondropathie links sowie Arthritisurica. Bei der klinischen und röntgenologischen Untersuchung fanden sich jeweils in etwa adäquate pathologische Substrate, wobei gravierende Gelenkalterationen im Ellenbogen- und Sprunggelenksbereich nicht Vorlagen. Schweres Heben und Tragen sowie gebückte Stellung sollten vermieden werden. Der Sachverständige schätzte ein, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen vollschichtig ausführen. Zur Vorbeugung einer Beschwerdeverschlechterung sei das Einsetzen ambulant-konservativer (physiotherapeutischer) Maßnahmen sinnvoll. Mit einer wesentlichen Besserung sei kaum zu rechnen. Nach sozialmedizinischer Stellungnahme vom 09.12.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 03.01.2013 ab.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2013 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei dem Kläger liege ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen vor. Eine wesentliche Befundänderung sei seit dem orthopädischen Gutachten vom Februar 2011 nicht eingetreten. Es bestehe eine Sprunggelenksarthrose beidseits ohne gravierende Funktionseinschränkung. Eine spezifische Schmerztherapie werde nicht durchgeführt.
Mit seiner am 20.08.2013 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Rentenbegehren weiter.
Der Kläger meint, die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen vor. Er verweist auf erhebliche Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparates sowie eine Beeinträchtigung der Herz-Kreislauf-Funktion. Diese erforderten einen ständigen Haltungswechsel und Entlastung. Der Kläger trägt vor, schon bei der Verrichtung leichter Tätigkeiten im Haushalt treten erhebliche Schmerzzustände auf, die es erforderten, immer wieder Pausen einzulegen. Durchgeführte Therapien hätten keinen Erfolg gebracht. Es bestünde eine Verschlechterung der Blutwerte aufgrund der dauerhaften Einnahme von Schmerzmitteln. Durch die ständigen Schmerzen könne er sich nicht in dem erforderlichen Maße auf eine Vollzeittätigkeit konzentrieren.
Der Kläger beantragt,
der Bescheid der Beklagten vom 03.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2013 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Renten- und Widerspruchsbescheid, in denen die Sach- und Rechtslage umfassend und schlüssig gewürdigt worden sei.
Das Gericht ha...