Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Zweipersonenhaushalt in Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt. Angemessenheitsprüfung. Vorliegen eines schlüssigen Konzepts. Rückgriff auf qualifizierten Mietspiegel. Anmietbarkeit angemessener Unterkünfte
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Schlüssigkeit des Konzepts über die Angemessenheit der Unterkunftskosten in der Stadt Dessau-Roßlau. Der Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Richtlinie ist auf deren Schlüssigkeit und Plausibilität beschränkt.
2. Durch den Rückgriff auf die Daten aus dem konkreten Mietspiegel wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden (vgl BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 70).
3. Die Erweiterung des Datenbestandes auf Bestandsmieten, die über einen Vier-Jahres-Zeitraum hinausreichen, ist im Hinblick auf die Methodenfreiheit im Rahmen der Datenauswertung nur dann ohne Auswirkung, wenn ein angespannter Wohnungsmarkt verneint werden kann und im Wege einer Korrekturrechnung das (abstrakte) Vorhandensein ausreichend anmietbarer Wohnungen nachgewiesen wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) für den Zeitraum Juni 2015 bis Mai 2016 unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten.
Die Klägerinnen beiziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die 1985 geborene Klägerin zu 1) lebte gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter, der 2009 geborenen Klägerin zu 2), bis Mai 2015 in einer Mietwohnung in der W. Straße in Dessau-Roßlau, ... Die Bruttowarmmiete betrug monatlich insgesamt 435,00 Euro.
Unter dem 18. Dezember 2014 beantragten sie bei dem Beklagten die Zusicherung zum Umzug. Sie legte ein Wohnungsangebot für die sodann im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung vor. Den Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 unter anderem mit der Begründung ab, die Kosten dieser Unterkunft seien unangemessen hoch. Zugleich wies der Beklagte auf die für ihn maßgeblichen Angemessenheitswerte für Aufwendungen für Unterkunft und Heizung hin. Die Klägerinnen zogen ohne Zusicherung zum 1. Juni 2015 in die streitgegenständliche Wohnung um. Die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerinnen für diese 76,32 Quadratmeter große Wohnung betragen monatlich insgesamt 597,00 Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Grundmiete in Höhe von 397,00 Euro, den Betriebskosten in Höhe von 105,00 Euro sowie den Heizkosten in Höhe von 95,00 Euro.
Die Klägerin zu 1) ist erwerbstätig in wechselnden Arbeitsverhältnissen. Ein Arbeitsverhältnis endete zum 30. Juni 2015. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte der Klägerin zu 1) mit Bescheiden vom 2. April 2015 Arbeitslosengeld I ab dem 15. September 2014 bis zum 18. Oktober 2015 in Höhe von monatlich 272,70 Euro. Mit Bescheid vom 10. August 2015 bewilligte sie Arbeitslosengeld I für den Zeitraum vom 19. August 2015 bis zum 10. Januar 2016 in Höhe von monatlich 272,70 Euro. Für die Klägerin zu 2) bezieht die Klägerin zu 1) Kindergeld in Höhe von monatlich 184,00 Euro und ab dem 1. Januar 2016 in Höhe von monatlich 190,00 Euro.
Die Firma "F+B - F. u. B. f. W., I. u. U. GmbH" (nachfolgend: F+B) hatte für die Stadt Dessau-Roßlau im Jahr 2014 zunächst einen qualifizierten Mietspiegel erstellt. Sodann erstellte sie im März 2014 einen "Methoden- und Ergebnisbericht zur Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt Dessau-Roßlau auf Basis des qualifizierten Mietspiegels Dessau-Roßlau 2014" (nachfolgend: Methodenbericht). Dieser war Grundlage für die Erarbeitung eines "schlüssigen Konzepts" für die Festlegung von Angemessenheitsgrenzen, welches der Stadtrat der Stadt Dessau-Roßlau am 29. April 2014 beschloss (nachfolgend: Richtlinie).
Bei der Konzepterstellung hat die Firma "F+B" auf alle bereits für die Erstellung des qualifizierten Mietspiegels erhobenen 4.515 Mieterdaten zurückgegriffen. Für den qualifizierten Mietspiegel sind dann nur 2.387 Daten berücksichtigt worden, da in dieser Anzahl eine Neuvertragsmiete oder eine veränderte Bestandsmiete innerhalb der letzten vier Jahre vorlag. Für die Erstellung des Methodenberichts wurden auch die Daten ausgewertet, bei denen die Bestandsmieten älter als vier Jahre waren. Hinzugenommen wurden weitere 406 Daten an Sozialwohnungen. Im Ergebnis lagen Daten in einer Größenordnung von 4.921 vor. Die Daten wurden bei vier Großvermietern der Stadt und mehreren Kleinvermietern erfragt. Dabei verwendete die Firma eine Ziehung einer repräsentativen Befragungsstichprobe nach dem Zufallsprinzip. Sodann ermittelte die Firma "F+B" den Bedarf an preisgünstigem Wohnraum durch Festlegung eines Quantils. Dabei berechnete sie zwei Möglichkeiten: das 33-Prozent- und das 40-Prozent-Quantil. Bei der Datenauswertung wurde anhand dieser Quantile die prozentua...