Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Versorgung eines Gehbehinderten mit einem Therapie-Dreirad

 

Orientierungssatz

1. Der Sozialhilfeträger wird nach § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 SGB 9 über einen von einem anderen Leistungsträger weitergeleiteten Leistungsantrag zur Entscheidung über eine beantragte Kostenübernahme für ein Therapie-Dreirad zuständig.

2. Auch für Erwachsene gelten Therapie-Dreiräder als Hilfsmittel i. S. von § 33 Abs. 1 SGB 5. Erforderlich ist die konkrete Verordnung durch einen Arzt. Dabei sind von ihm alle für die individuelle Versorgung oder Therapie erforderlichen Angaben zu machen. Die ärztliche Verordnung "eines behinderungsgerechten Fahrrads" genügt hierzu nicht.

3. Im Übrigen ist ein Therapie-Dreirad zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung i. S. von § 33 Abs. 1 S. 1 1. Alternative SGB 5 nur dann erforderlich, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung geringer ausfallen kann (BSG Urteil vom 7. 10. 2010, B 3 KR 5/10 R).

4. Beim mittelbaren Behinderungsausgleich besteht eine Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers nur dann, wenn der Zweck des Hilfsmitteleinsatzes einem Grundbedürfnis des Versicherten dient. Dessen medizinische Rehabilitation ist darauf beschränkt, die im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen. Ist der Versicherte ausreichend mit Gehhilfen versorgt, so hat er keinen Anspruch aud Versorgung mit einem Therapie-Dreirad.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für ein Therapiedreirad.

Der 1965 geborene Kläger lebt in L. Im Juni 2010 wurde ihm der rechte Oberschenkel amputiert. Der Kläger besitzt eine Oberschenkelprothese mit elektrisch gesteuertem C-leg Kniegelenk und Aktivfuß. Der Kläger bewegt sich mithilfe von Unterarmstützen fort. Das Landesversorgungsamt stellte bei ihm im März 2012 einen Grad der Behinderung von 80 vom Hundert sowie die Merkzeichen "G", "B" und "aG" fest.

Im Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch vom 14.11.2011 ist u.a. angegeben, der Kläger benutze Unterarmgehstützen sowie eine Oberschenkelprothese; er verfüge über eine Gehbank, die er nicht nutze. Er habe nach der Prothesenversorgung das Gehen erlernt, welches ihm jedoch schwer falle. Im Wohn- und Außenbereich auf einer Ebene sei das Gehen möglich; ansonsten benötige er Unterarmgehstützen. Die Alltagskompetenz des Klägers sei nicht im Sinne von § 45a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) eingeschränkt. Pflegebedürftigkeit liege nicht vor. Im Gutachten zur Feststellung von Erwerbsminderung für die Gesetzliche Rentenversicherung vom 20.1.2012 führt Dr. U. A. (Facharzt für Orthopädie) aus, der Kläger habe ein privat umgerüstetes Automatik-Auto. Die Laufstrecke an zwei Unterarmgehstützen betrage nach Angaben des Klägers 20 Meter; danach müsse er sich hinsetzen. Er könne sich außerhalb des Autos kaum fortbewegen und benötige eine Begleitperson. Der Gutachter stellte eine deutliche Rötung des Stumpfes mit Narbe fest. Die Belastbarkeit beurteilte er dahingehend, dass dem Kläger allenfalls eine sitzende körperliche Tätigkeit an einem Rollstuhlarbeitsplatz zumutbar sei. Bei zur Zeit nicht vorliegender Wegefähigkeit sei der beruflichen Rehabilitation eine medizinische Rehabilitation in einer Spezialklinik für Amputierte dringend voranzuschalten, um den Versuch einer Optimierung der Prothesenanpassung und eine entsprechende Gangschulung zu unternehmen.

Der behandelnde Arzt des Klägers, Dipl.-med. H., stellte dem Kläger am 06.05.2013 eine Verordnung aus. Darin heißt es: " 1 behinderten gerechtes Fahrrad Z.n. OS Amputation re. Nach AVK ".

Der Kläger stellte am 30.05.2013 bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung einen Antrag auf Bewilligung eines orthopädischen Therapiedreirades zu einem Preis von 3.571,19 EUR. Diesen Antrag leitete die Krankenversicherung mit Schreiben vom 31.05.2013 an das Sozialamt des Landkreises W. weiter, wo er am 05.06.2013 Eingang fand. Mit Schreiben vom 12.06.2013 forderte der Landkreis W. den Kläger auf, weitere Unterlagen vorzulegen. Zwischenzeitlich teilte der Landkreis W. dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 31.07.2013 mit, es werde eine amtsärztliche Stellungnahme angefordert. Die amtsärztliche Stellungnahme erstellte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau G. am 26.08.2013, welche am 17.08.2013 beim Landkreis W. eingegangen war.

Mit Bescheid vom 09.09.2013 lehnte der Landkreis W. als örtlicher Träger der Sozialhilfe den an ihn weitergeleiteten Antrag mit der Begründung ab, die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad sei nicht notwendig. Der Rententräger habe im Jahr 2012 festgestellt, dass für den Kläger ein Rollstuhlarbeitsplatz zumutbar sei. Zudem könne eine medizinische...

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