Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung einer dem Hilfebedürftigen zugeflossenen Erbschaft auf die ihm bewilligten Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Auf den Bedarf des Grundsicherungsberechtigten ist das nach § 11 SGB 2 zu berücksichtigende Einkommen anzurechnen. Eine Erbschaft ist nur im Monat ihres Zuflusses als Einkommen und in den Folgemonaten als Vermögen zu berücksichtigen.
2. Nach § 2 Abs. 4 Alg2V sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Sie sind grundsätzlich auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen.
3. Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 Alg2V ist nicht von der Ermächtigung des § 13 SGB 2 gedeckt und damit rechtswidrig.
4. Die Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen muss sich an dem grundsätzlichen Sprachgebrauch und der Einmonatsfrist orientieren. Daher ist eine zugeflossene Erbschaft im Zuflussmonat als Einkommen zu behandeln, welches sich im Folgemonat in Vermögen umwandelt und unter Berücksichtigung der Freibeträge im Rahmen der Bedürftigkeit anzurechnen ist. Ohne diese Auslegung wären beide Begriffe nicht eindeutig unterscheidbar.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.06.2008 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 verurteilt, den Klägern ab Mai 2008 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen Kosten der Kläger.
Tatbestand
Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab Mai 2008.
Die Kläger beziehen seit 2005, mit Unterbrechungen durch erzieltes Arbeitsentgelt und anschließendem Arbeitslosengeld I - Bezug, Leistungen nach dem SGB II. Durch errichtetes Testament vom 22.8.2003, eröffnet nach dem Tod der Erblasserin am 4.7.2007, wurde die Klägerin zu 2), T J, zu einem Drittel Anteil Erbin der Erblasserin. Anteilig wurde die Klägerin zu 2) Miteigentümerin des Wohnungseigentums G1, T1 (künftig: I-Weg 0). Daneben wurde sie zu einem Drittel Erbin des Girokontos mit einem Geldbetrag von 1.746,50 Euro und eines Sparkontos mit 20,01 Euro Guthaben.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 29.2.2008 verkaufte die Erbengemeinschaft das Wohnungseigentum I-Weg 0 für einen Kaufpreis von 77.000 Euro.
Mit Schreiben vom 13.3.2008 wies die Beklagte die Kläger auf die Rechtslage hin. Nach Auffassung der Beklagten sei die Erbschaft nicht Vermögen, sondern einmalige Einnahme.
Als solche sei sie für mindestens 6 Monate auf das Arbeitslosengeld II (ALG II) anzurechnen. Das nach Ablauf des angemessenen Zeitraumes verbleibende Geld sei dann als Vermögen anzusehen. ALG II sei bis zur Verwertung der Wohnung als Darlehen zu gewähren.
Mit Bescheid vom 20.3.2008 bewilligte die Beklagte den Klägern ALG II als Darlehen, mit dem Hinweis auf die Rückzahlungsverpflichtung bei Zufluss von Einnahmen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein.
Am 1.4.2008 nahm die Klägerin zu 2) eine Vollzeittätigkeit als Verkäuferin mit einer Vergütung von monatlich 1.284,- Euro brutto (= 1027,22 Euro netto) auf.
Im April 2008 flossen der Klägerin zu 2) aus dem Verkauf des Wohnungseigentums I-Weg 0 23.500,- Euro zu. Hiervon waren noch anteilig Grundsteuern in Höhe von 900,- Euro zu entrichten.
Mit Bescheid vom 20.5.2008 forderte die Beklagte die mit Bescheid vom 20.3.2008 darlehensweise bewilligten Leistungen in Höhe von 2.949,76 Euro zurück. Der Anspruch auf ALG II bestehe aufgrund des Erbes nicht mehr. Dieses sei am 14.4.2008 zugeflossen und sei auf den angemessenen Zeitraum von 12 Monaten aufzuteilen. Daher sei der Lebensunterhalt der Kläger für 12 Monate aus dem Erbe zu bestreiten. Vor Ablauf von 12 Monaten sei eine erneute Bewilligung nicht möglich.
Am 3.6.2008 beantragten die Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 25.6.2008 lehnte die Beklagte die Weiterbewilligung von Leistungen mit der Begründung ab, die erhaltene Erbschaft sei auf eventuelle Leistungen anzurechnen. Ausdrücklich bezog sich die Beklagte unter anderem auch auf den Bescheid vom 20.5.2008. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein und beantragten am 21.7.2008 den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das einstweilige Rechtsschutzverfahren mit dem Aktenzeichen S 7 AS 213/08 ER wurde für erledigt erklärt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verblieb bei der zuvor geäußerten Rechtsauffassung hinsichtlich der Bewertung der Erbschaft der Klägerin zu 2). Einkommen sei das während des Zahlungszeitraumes ( des ALG II ) wertmäßig hinzu erworbene und Vermögen das, was bei Beginn des Zahlungszeitraumes bereits vorhanden gewesene. Die Erbschaft sei aber gerade erst während des Zahlungszeitraumes zugeflossen, so dass es sich um Einkommen handele.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid haben die Kläger Klage am 13.10.2008 erhoben. Sie verbleiben bei ihrer Rechtsauffassung aus dem Verwaltungsverfahren.
Die Kläger beantragen,...