Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion eines vom Versicherten gestellten Leistungsantrags bei nicht rechtzeitiger Bescheidung durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Durch die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB 5 gilt der vom Versicherten gestellte Leistungsantrag von der Krankenkasse als genehmigt, wenn diese die Bescheidungsfrist des Abs. 3a S. 1 nicht eingehalten hat. Voraussetzung ist, dass die beantragte Leistung ihrer Art nach nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Krankenversicherung liegt.

2. Die Genehmigungsfiktion begründet sowohl einen Sachleistungsanspruch als auch einen Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse.

3. Eine nachträgliche Prüfung der Leistungsvoraussetzungen ist ausgeschlossen. Dem Interesse des Versicherten am Bestand der rechtmäßig zustande gekommenen Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB 5 kommt ein höheres Interesse zu als dem fiskalischen Interesse der Solidargemeinschaft.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2015 sowie des Bescheides vom 04.07.2016 verurteilt, der Klägerin vier postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Oberschenkelstraffung beidseits, Oberarmstraffung beidseits, Bruststraffung beidseits, Gesäßstraffung) als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für postbariatrische Wiederherstellungsoperationen.

Die am 00.00.1966 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.

Unter Vorlage eines Befundberichts des Facharztes für Plastische Chirurgie Dr. E von der Chirurgischen Klinik des Evangelischen Krankenhauses M vom 10.06.2015, eines Befundberichts des Facharztes für Allgemein- und Viszeralchirurgie Dr. E1 vom 08.04.2015 und einer Fotodokumentation beantragte die Klägerin am 17.06.2015 die Kostenübernahme für ein Körperlifting bestehend aus drei Operationen: einer Ober- und Unterschenkelstraffung mit Polift, einer Abdominoplastik (Ober- und Unterbauch) und einer Mammastraffung mit evtl. Straffung der Arme.

In einem Schreiben vom 13.07.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie über den Antrag noch nicht habe entscheiden können, weil ein vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) angefordertes Gutachten noch nicht vorliege. Sobald das Ergebnis vorliege, werde man die Klägerin umgehend informieren.

In einem weiteren Schreiben vom 20.07.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie wegen verspätet eingegangener Informationen bzw. Unterlagen den MDK erst am 13.07.2015 habe beauftragen können. Sobald das Ergebnis vorliege, werde man die Klägerin umgehend informieren.

In einer Stellungnahme vom 22.07.2015 teilte Dr. M1 vom MDK mit, dass für die Abdominoplastik eine medizinische Indikation bestehe.

Mit einem Bescheid vom 28.07.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die Kosten für die Abdominoplastik übernehmen werde. An den Kosten der Brust-, Po-, Bein- und Armstraffung könne sie sich leider nicht beteiligen.

Dagegen legte die Klägerin am 05.08.2015 Widerspruch ein. Sie berief sich auf eine Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), weil die Beklagte die Entscheidungsfrist verpasst habe.

Am 01.10.2015 hat die Klägerin Klage erhoben und zunächst den Antrag gestellt, dass festgestellt werden solle, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung dreier postbariatrischer Wiederherstellungsoperationen vom 10.06.2015 als genehmigt gelte. Sie beruft sich insoweit auf die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V.

Die Beklagte meint dagegen, dass die Genehmigungsfiktion nicht greife, weil nur medizinische erforderliche und wirtschaftliche Leistungen davon umfasst würden. Das treffe auf die beantragten Leistungen nicht zu.

Mit einem Widerspruchsbescheid vom 21.12.2015 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.07.2015 zurückgewiesen.

Mit einem weiteren Bescheid vom 04.07.2016 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass sie die fingierte Genehmigung gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurücknehme. Die fingierte Genehmigung sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des Sachleistungsanspruchs nicht vorlägen. Das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung überwöge das private Interesse der Klägerin an der Kostenfreistellung. Die Genehmigungsfiktion gehe zum Nachteil der Solidargemeinschaft und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Klägerin hat eingewendet, dass der Rücknahmebescheid vom 04.07.2016 offensichtlich rechtswidrig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne eine Rücknahme nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen der Fiktion nicht vorgelegen hätten. Das sei hier nicht der Fall.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2015 sowie des Bescheides...

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