Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur Winterbauumlage dem Grunde nach

 

Orientierungssatz

1. Eine Tätigkeit im Akustik- und Trockenbau fällt unter die Vorschrift des § 1 Abs 2 Nr 36 Baubetriebe-Verordnung (juris: BaubetrV 1980), so dass grundsätzlich Umlagepflicht besteht.

2. Die Zuordnung eines Betriebes zu einer nicht förderungsfähigen Betriebsgruppe setzt voraus, dass der Betrieb konkret nicht förderfähig ist und zu einer abgrenzbaren und nennenswerten Gruppe von Betrieben gehört, bei denen eine Einbeziehung in die Winterbauumlagepflicht nicht zu einer Belebung der wirtschaftlichen Tätigkeit oder zu einer Stabilisierung der Beschäftigungsverhältnisse der von saisonbedingten Arbeitsausfällen betroffenen Arbeitnehmer führt (Anschluss: BSG, 1996-01-30, 10 RAr 10/94, SozR 3-2100 § 186a Nr 6).

3. Förderungsunfähig sind Betriebe des industriellen Akustik- und Trockenbaus aufgrund ihrer witterungsunabhängigen Arbeit in Gebäuden, in denen die Rohbauarbeiten abgeschlossen, erforderliche Anschlusskonstruktionen hergestellt und die entsprechenden klimatischen Voraussetzungen geschaffen sind.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 07.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Beiträgen zur Winterbauumlage dem Grunde nach.

Die Klägerin ist ein familiengeführter Baubetrieb mit ca. 35 Mitarbeitern. Der Geschäftszweck besteht im industriellen Akustik- und Trockenbau. Sie verrichtet im Rahmen größerer Bauvorhaben Tätigkeiten im Innenausbau von Gewerbeobjekten, in Miet- und Geschäftshäusern und bei Ladenausbauten.

Anlässlich einer Betriebsprüfung im Juli 2009 kam die Beklagte zu der Einschätzung, im Betrieb der Klägerin würden ausschließlich Bauarbeiten im Sinne des Akustik- und Trockenbaus erbracht.

Mit Bescheid vom 06.08.2009 wurde die Klägerin von der Umlagepflicht befreit, da sie Mitglied in der Bundesfachabteilung Akustik- und Trockenbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sei.

Im Rahmen einer Neuüberprüfung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 07.07.2010 die Umlagepflicht der Klägerin ab dem 01.08.2010 fest. Gleichzeitig hob sie den Bescheid vom 06.08.2009 mit Wirkung für die Zukunft auf.

Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie verweist darauf, dass sie keine witterungsabhängigen Arbeiten verrichte. Ihre Tätigkeiten kämen erst dann zur Ausführung, wenn die Rohbauarbeiten abgeschlossen, erforderliche Anschlusskonstruktionen hergestellt und die entsprechenden klimatischen Voraussetzungen geschaffen seien. Sie sei Mitglied der Bundesfachabteilung Akustik- und Trockenbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und habe in der Vergangenheit keine witterungsbedingten Arbeitsausfälle zu verzeichnen gehabt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 als unbegründet zurück. Zwar könne die Mitgliedschaft der Klägerin in einer sogenannten abgrenzbaren Gruppe dazu führen, dass die Umlagepflicht nicht bestehe. Eine solche abgrenzbare Gruppe liege jedoch nur dann vor, wenn sich im Wirtschaftsleben eine bestimmte, einheitliche, nicht mehr als bloß nur zufällige Ansammlung zu vernachlässigende dauerhafte Gruppe etabliert hat, deren Mitgliedsbetriebe sämtlich nicht oder allenfalls in zu vernachlässigendem Ausmaß witterungsabhängig seien. Diese Voraussetzungen würden hier nicht vorliegen.

Am 18.02.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht ergänzend geltend, in den letzten 10 Jahren keine witterungsabhängigen Förderleistungen der Beklagten in Anspruch genommen zu haben.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 07.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 07.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten.

Nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Soweit die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 07.07.2010 den Bescheid vom 06.08.2009 mit Wirkung...

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