Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Erstattung des Eigenanteils für selbst angeschafftes Hörgerät

 

Orientierungssatz

1. Gei Hörgeräten geht der Konkretisierung des notwendigen Hilfsmittels eine Erprobungsphase voraus, in der verschiedene Geräte nicht nur in der Kabine des Hörgeräteakustikers, sondern auch im häuslichen Umfeld getestet werden.

2. Diese Probe kann sich nicht als Beschaffung des Hilfsmittels darstellen. Wenn der Versicherte jedoch eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch die Krankenkasse die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann, hat sich der Versicherte das Hilfsmittel beschafft.

3. Auf diesen Zeitpunkt kommt es im Rahmen der Kausalitätsprüfung an. Hat die Krankenkasse über das Leistungsbegehren zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung bereits negativ entschieden, ist die Entscheidung - außer in den Fällen der Vorfestlegung - ursächlich für die Kostenbelastung des Versicherten anzusehen. Lag zum Zeitpunkt der so ermittelten Selbstbeschaffung noch keine Entscheidung der Krankenkasse vor, fehlt es an der erforderlichen Kausalität.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine über den Vertragspreis hinausgehende Versorgung mit Hörgeräten zu übernehmen.

Der am 00.00.1945 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger leidet unter einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Er ist seit vielen Jahren auf die Versorgung mit Hörgeräten angewiesen. Die Kosten hierfür hat nach den Angaben des Klägers die früher zuständige Betriebskrankenkasse immer vollständig getragen.

Am 26.06.2008 stellte der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. C eine ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe aus, da das Sprachverständnis mit den alten Geräten nicht mehr ausreichte. Der Kläger begab sich zu der Fa. L, um verschiedene Geräte zu testen. Mit Fax vom 17.07.2008 übersandte der Hörgeräteakustiker eine Versorgungsanzeige an die Beklagte. Diese erteilte ihre Zustimmung gegenüber dem Hörgeräteakustiker am 18.07.2008. Darin heißt es: "Vorbehaltlich der Vorlage der für die Indikationsstellung nötigen Informationen (Ton- und Sprachaudiogramm) wird hiermit eine Hörsystemversorgung bewilligt". Handschriftlich wurde der Zusatz hinzugefügt: "in Höhe der Festbeträge abzüglich gesetzliche Zuzahlung". Der Kläger hat bei der Fa. L verschiedene Geräte getestet, darunter befanden sich auch Hörhilfen, die eigenanteilsfrei erhältlich waren. Er entschied sich für die Geräte L Sumo DM, für die er einen Eigenanteil in Höhe von 2.315,20 Euro aufbringen musste. Der laut Rechnung der Fa. L vom 10.07.2008 ausgewiesene Anteil der Beklagten betrug 1.148,80 Euro. Am 01.09.2008 bestätigte der Kläger gegenüber der Fa. L den Empfang der Geräte und unterzeichnete eine Erklärung zu den Mehrkosten, die wie folgt lautet: "Ich bin über das qualitativ hochwertige Angebot einer eigenanteilsfreien Versorgung (ohne Aufzahlung, ausgenommen der gesetzlichen Zuzahlung) informiert worden. Mit einer von mir zu leistenden höheren Vergütung für die von mir ausgewählten Hörsysteme (Hilfsmittel L sumo DM) bin ich einverstanden. Ich bin darüber informiert worden, dass die aus der Mehrleistung resultierenden Reparaturmehrkosten damit zu meinen Lasten gehen und erkläre ich bereit, diese zu übernehmen. Die Versicherteninformation habe ich erhalten."

Am 08.09.2008 hat der Kläger den Eigenanteil gegenüber der Fa. L entrichtet.

Mit Schreiben vom 21.09.2008 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Übernahme des Zuzahlungsbetrages, da er nur mit den von ihm ausgewählten Geräten ein besseres Sprachverstehen erzielen konnte. Dies habe er in wochenlangen Hör- und Verständigungstests ausprobiert.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.09.2008 lehnte die Beklagte die Erstattung der Kosten ab und führte zur Begründung aus, der Hörgeräteakustiker biete in der Regel eine eigenanteilsfreie Versorgung an. Soweit eine andersartige Versorgung gewählt werde, müsse der übersteigende Betrag vom Versicherten getragen werden.

Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung aus, er sei auf die ausgewählten Hörhilfen als Kommunikationsmittel angewiesen. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits am 17.12.2002 entschieden, dass sich Versicherte nicht mit Teilkostenerstattungen zufrieden geben müssten. Im Hilfsmittelsektor müsse die Versorgung mit ausreichenden zweckmäßigen und in der Qualität gesicherten Hilfsmitteln als Sachleistung gewährleistet sein.

Die Beklagte schaltete daraufhin den medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) ein, der mit Gutachten vom 05.11.2008 ausführte, dass der Kläger mit den Hörgeräten vom Typ Exélia P und Lcentra HP hätte ausreichend versorgt werden können. Hingegen genüge die Hörhilfe vom Typ assista HP für den Ausgleich der Behinderung nicht, da hiermit ein 20% sch...

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