Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 11.08.2017; Aktenzeichen 1 BvR 237/17)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin die über den Festbetrag hinausgehenden Mehrkosten für das Arzneimittel Alvesco® der Antragsstellerin zu erstatten hat.

Die am 00.00.1954 geborene Antragstellerin leidet unter einem Asthma Bronchiale. Bei ihr besteht ausweislich des Berichtes des Klinikums C vom 02.04.2009, wo sie sich in der Zeit vom 28.03. bis 02.04.2009 in stationärer Behandlung befunden hat, eine Allergie gegen den Wirkstoff Beclometason. Sie ist jedoch auf ein glucocorticoidhaltiges Medikament zur Behandlung der Lungenfunktionsstörung angewiesen. Wegen der Unverträglichkeit von Beclometason erhält die Klägerin von der sie behandelnden Ärztin Dr. L Verordnungen für.Alvesco®. Unter der Einnahme dieses Medikaments werden die Beschwerden auf gut verträgliche Weise gelindert.

Bei Alvesco® handelt es sich um ein Medikament mit dem Wirkstoff Ciclesonid, der zur Festbetragsgruppe der Stufe 2 der Gruppe der Glucocortikoide (inhalativ, oral) gehört. Andere Wirkstoffe dieser Gruppe sind Beclometason, Budenosid, Fluticason und Mometason. Laut Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21.06.2007 wird die Gruppe beschrieben als Glucocorticoide zur Anwendung bei Atemwegserkrankungen, orale Darlegungsform, ggf. mit apparativen Zusätzen auf Antrag des Herstellers (BAnz NR.160 (S. 7355) v. 28.08.2007). Alvesco® ist zum Festbetrag nicht erhältlich. Die Mehrkosten betragen jährlich 346,75 Euro.

Bei der Klägerin wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 durch den Kreis H festgestellt. Berücksichtigt wurde dabei u.a. ein Bronchialasthma, das mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet worden ist.

Am 23.04.2009 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Mehrkosten für das Medikament Alvesco®. Sie machte geltend, sie habe bei der Einnahme von Beclometason nach 3 Tagen kleine Pusteln am ganzen Körper und einen starken Juckreiz. Dieser sei verbunden mit leichtem Fieber. Sie sei täglich dreimal auf einen Hub (160 mg) Alvesco® angewiesen. Behandlungsalternativen gebe es für sie nicht. Die Festbetragsregelung des § 35 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) könne für sie nicht gelten, da sie auf das Medikament Alvesco® angewiesen sei und die Krankenkasse daher verpflichtet sei, auch die Mehrkosten zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 24.04.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, für die Wirkstoffgruppe sei nach den Arzneimittelrichtlinien ein Festbetrag festgelegt worden. Die Krankenkasse dürfe daher nur die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages übernehmen.

Die Antragstellerin legte Widerspruch ein und berief sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Krankenkassen verpflichtet seien, eine ausreichende und notwendige medizinische Behandlung zu gewährleisten.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2009 zurückgewiesen. Da das Arzneimittel Alvesco® unter die Festbetragsregelung falle, könne der Differenzbetrag nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Vielmehr seien diese Mehrkosten von dem Versicherten zu tragen. Eine Kulanzregelung sei deshalb nicht möglich, da ein Ermessensspielraum der Krankenkasse nicht zustehe.

Am 31.05.2009 hat die Antragstellerin die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Mit Beschluss vom 02.07.2009 wurde der Antrag abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Landessozialgerichts vom 30.11.2009 zurückgewiesen (Az. S 5 KR 144 / 09 ER, L 11 B 11 / 09 KR ER). Zur Begründung wurde ausgeführt, eine besondere Eilbedürftigkeit bestehe nicht. Vor dem Hintergrund der Kosten des Medikaments sei nicht glaubhaft gemacht, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, die Kosten zumindest vorläufig zu tragen.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 20.05.2009 richtet sich die am 01.06.2009 erhobene Klage. Die Klägerin begehrt weiterhin die Erstattung der Mehrkosten und darüber hinaus die Feststellung, dass die Entscheidung der Krankenkasse gegen das Sachleistungsprinzip und gegen die Grundrechte der Antragstellerin verstößt und dass die Beklagte auch künftig verpflichtet ist, die Mehrkosten für das Medikament zu übernehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe gefordert, dass für alle Versicherten eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung gewährleistet sein muss. Diese Rechtsprechung müsse auch in ihrem Falle zur Anwendung kommen. Sie reagiere auf alle Festbetragsmedikamente allergisch und könne diese nicht einnehmen. Die Grundversorgung sei daher nicht gesichert. In ihrem Fall sei daher eine Ausnahmeregelung notwendig. Es liege nämlich ein Systemversagen vor, das zu einer entsprechenden Verpflichtung der Krankenkasse führe. Außerdem seien möglicherweise bei der Festlegung der Festbeträge Fehler unterlaufen. Insoweit müsse der Gemeinsame Bundesausschuss zu dem Sachverhalt ...

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