Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Abrechnungsprüfung. Möglichkeit der Rechnungskorrektur vor Einleitung des MDK-Prüfverfahrens. Wirtschaftlichkeitsgebot. Gleichwertigkeit von Apherese-Thrombozytenkonzentraten (ATK) und Pool-Thrombozytenkonzentraten (PTK). konkret-individuelle Prüfung des jeweiligen Einzelfalles
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Rechnungskorrektur ist nicht nach § 7 Abs 5 S 1 PrüfvV (juris: PrüfvVbg) 2014 ausgeschlossen, wenn sie vor Einleitung des MDK-Prüfverfahrens vorgenommen wurde. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der sachliche Anwendungsbereich des § 7 Abs 5 S 1 PrüfvV 2014 noch nicht eröffnet.
2. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass für die Annahme einer Wirtschaftlichkeit der Gabe von ATK deren Überlegenheit gegenüber PTK auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen sein muss. Solche fundierten wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen bisher nicht vor, sodass beide Produkte als gleichwertig anzusehen sind.
3. Die Entscheidung, ob ATK vor PTK vorrangig ist, ist im Wege einer konkret-individuellen Prüfung des jeweiligen Einzelfalles zu ermitteln. Im Rahmen dieser Prüfung sind Stellungnahmen von fachkundigen Stellen, wie dem Paul-Ehrlich-Institut, zu berücksichtigen.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.831,50 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, soweit sie die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu 19 % und die Beklagte zu 81 %.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Vergütungsanspruch für eine Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Frau D I (im Folgenden: Versicherte) wurde in der Zeit vom 14.07.2016 bis 01.08.2016 zur Mitralklappenrekonstruktion bei hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz stationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt. In diesem Zusammenhang wurden bei der Versicherten Apherese-Thrombozytenkonzentrate (ATK) transfundiert. Die Klägerin berechnete den Aufenthalt am 04.08.2016 in Höhe von 30.591,73 EUR. Die Beklagte beglich diesen Betrag vollständig. Am 24.08.2016 stornierte die Klägerin die Rechnung und erstellte eine neue Rechnung in Höhe von 29.717,91 EUR. Daraufhin beauftragte die Beklagte am 31.08.2016 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung des Falles. Die Beklagte verrechnete am 08.09.2016 den zuvor gezahlten Betrag vollständig und überwies 29.717,91 EUR an die Klägerin. Am 13.09.2016 stornierte die Klägerin die zweite Rechnung ebenfalls und berechnete der Beklagten nun einen Betrag in Höhe von 35.533,32 EUR. Dieser neue Betrag resultierte aus Hinzufügen eines Bluter-Zusatzentgeltes. Die Beklagte verrechnete am 29.09.2016 den gesamten Betrag über ein Zahlungsavis. Der MDK kam in einem Gutachten vom 02.05.2017 zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Pool-Thrombozytenkonzentraten (PTK) gleich zweckmäßig, notwendig und ausreichend gewesen wäre. Die Gabe von ATK sei unwirtschaftlich gewesen. Nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse seien beide Präparate sicher und der Therapieeffekt gleich. Eine Ausnahmeindikation für ATK sei nicht gegeben.
Die Beklagte lehnte die Bezahlung mit der Begründung ab, dass Datenkorrekturen nur einmalig innerhalb von fünf Monaten nach § 7 Abs. 5 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) möglich seien. Mit Schreiben vom 04.05.2017 bezifferte die Beklagte ihren Erstattungsanspruch auf einen Betrag in Höhe von 1.150,22 EUR. Am 28.07.2017 zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 28.551,82 EUR an die Klägerin.
Dagegen hat die Klägerin am 18.08.2017 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass sie berechtigt gewesen sei, den Rechnungsbetrag zweimal zu korrigieren. Es handele sich bei der Versicherten um eine dauerhafte Bluterin. Daher habe eine Indikation für ATK bestanden.
Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.533,32 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2016 zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 20.11.2017 hat die Klägerin die teilweise Klagerücknahme in Höhe von 28.551,82 EUR erklärt.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.981,50 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass der von der Klägerin verfolgte Zahlungsanspruch auf Vergütung nicht bestehe. Die Gabe von ATK sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Zudem dürfe eine Rechnungskorrektur innerhalb der fünfmonatigen Frist des § 7 Abs. 5 PrüfvV nur einmal vorgenommen werden. Eine zweite Korrektur sei nach dem eindeutigen Wortlaut der PrüfvV ausgeschlossen. Die Vertragsparteien hätten sich einvernehmlich auf diese Einschränkung verständigt. Auf diese Weise sollte das Verfahren zügig durchgeführt werden und die Prüfung zu raschen...