Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Angemessenheitsgrenze für ein selbst genutztes Hausgrundstück. Einpersonenhaushalt. Wohnflächenberechnung. Nichtberücksichtigung von bauordnungsrechtlich unzulässigem Wohnraum
Leitsatz (amtlich)
1. Der unbestimmte Rechtsbegriff des selbst genutzten Hausgrundstücks von angemessener Größe gemäß § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB II in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung ist bei einem 1-Personen-Haushalt dahingehend auszulegen, dass eine angemessene Größe und damit nicht zu berücksichtigendes Schonvermögen nur dann vorliegt, wenn die Gesamtwohnfläche einen Wert in Höhe von 99m² nicht überschreitet.
2. Vorhandener Wohnraum, der die Anforderungen des Bauordnungsrechts nicht erfüllt, ist bei der Berechnung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
Zur Frage der Berücksichtigung eines nicht vollständig ausgebauten Kinderzimmers im Obergeschoss, eines Hauswirtschafts-/Heizungsraums im Erdgeschoss sowie eines Flurs im Dachgeschoss einer Doppelhaushälfte als Wohnfläche.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.06.2017 bis 31.07.2017 und vom 01.09.2017 bis 31.12.2017. Streitig ist die Anrechnung von Einkommen und der Einsatz der im Eigentum des Klägers befindlichen Doppelhaushälfte als verwertbares Vermögen.
Der am 00.00.1972 geborene Kläger beantragte am 13.06.2017 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er ist seit 2006 Eigentümer eines mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks im B-weg 0 in T (Grundbuch T Blatt 2951, lfd. Nr. 1 im Bestandsverzeichnis, Gemarkung T, Flur 5, Flurstück 862). Die amtliche Fläche des Grundstücks beträgt 323m². Die Doppelhaushälfte verfügt, laut gutachterlicher Stellungnahme des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis I vom 10.06.2022, über eine Wohnfläche von 119,70m², die sich auf Flächen und Räume im Erd- und Untergeschoss der zweistöckigen Doppelhaushälfte zuzüglich einer auf einem Carport befindlichen Dachterrasse zusammensetzt. Die Fläche im Erdgeschoss beträgt 64,82m² und setzt sich neben Flur, Wohnzimmer, Terrasse, WC, Küche und Abstellraum auch aus einem mit 5,58m² groß bemessenen Hauswirtschafts-/Heizungsraum zusammen. Dieser Raum ist vom zentralen Eingangsflur im Erdgeschoss durch eine Tür zu erreichen und beinhaltet den für die Beheizung der Wohnung notwendigen Gaskessel der im Haus eingebauten Gasheizung. Daneben wird er für die Lagerung von hauswirtschaftlichen Gegenständen, eines Wäscheständers und zur Unterbringung von zwei Waschmaschinen und einem Trockner genutzt. Die Fläche des Obergeschosses beträgt 54,88m² und setzt sich neben einem Bad, einem Eltern- und einem Kinderzimmer aus einer auf dem Carport befindlichen Terrasse mit einer Fläche von 5,72m², einem weiteren Kinderzimmer mit einer Fläche von 11,16m² und einem Flur zum Spitzboden mit weiteren 2,42m² zusammen. Ohne Dachterrasse verfügt die Doppelhaushälfte über eine Wohnfläche von 113,98m². Der Kläger zahlte am 21.07.2006 einen Kaufpreis in Höhe von 120.000,00 Euro für das Hausgrundstück. Der Verkehrswert des Grundstücks lag laut gutachterlicher Stellungnahme zum Wertermittlungs- und Qualitätsstichtag 01.02.2019 bei rund 150.000,00 Euro. Neben seinem Grundstücksvermögen verfügte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum über Einnahmen aus unselbstständiger Tätigkeit bei dem Restaurant F H, aus Arbeitslosengeld I, aus Unfallrente, aus dem Betrieb einer Fotovoltaikanlage und aus Vermietung. Eine Vermietung erfolgte bis zum 31.08.2017. Ab dem 01.09.2017 bewohnte der Kläger die Doppelhaushälfte allein.
Mit Bescheid vom 01.09.2017 bewilligte der Beklagte, nach Anrechnung des vorhandenen Einkommens, zunächst Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.08.2017 bis 31.08.2017 in Höhe von 257,61 Euro.
Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers in der Folgezeit mit Ablehnungsbescheid vom 13.09.2017 für die Zeit vom 01.06.2017 bis 31.07.2017 ab. Zur Begründung führte jener aus, dass dieser aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II sei. Ihm stehe ein Gesamtbedarf in Höhe von 770,96 Euro zu. Dem stehe ein zu berücksichtigendes monatliches Einkommen in Höhe von 1.542,68 Euro im Monat Juni 2017 und in Höhe von 1.055,15 Euro im Monat Juli 2017 entgegen.
Mit Bescheid vom 19.09.2017 versagte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.09.2017. Zur Begründung führte jener aus, dass dieser den Zutritt zu seinem Haus verweigert habe. Eine Überprüfung des Hausgrundstücks sei daher nicht möglich gewesen. Der Kläger habe die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung damit nicht nachgewiesen.
Der Kläger legte am 25.09.2017 jeweils Widerspruch gegen die Bescheide vom 13.09.2017 und 19.09.2017 ein. Zur Begründung trug er vor, da...