Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Integrationshelfer eines behinderten Kindes zum Besuch einer Offenen Ganztagsschule
Orientierungssatz
1. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe für einen behinderten Menschen gehören nach § 54 Abs. 1 SGB 12 u. a. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu.
2. Bei den Kosten für einen Integrationshelfer für die Nachmittagsstunden einer Offenen Ganztagsschule (OGS) in der Grundschule handelt es sich um eine Hilfe für eine angemessene Schulbildung i. S. des § 53 Abs. 1 Nr. 1 SGB 12 (Anschluss BSG Urteil vom 22. 3. 2012, B 8 SO 30/10 R).
3. Für ein behindertes Kind stellt die OGS die typische Alltagssituation des Schulbesuchs dar. Der Besuch einer OGS ist damit ein angemessener Schulbesuch i. S. des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 12 i. V. m. § 12 EinglHV. Hilfen zur angemessenen Schulbildung werden einkommens- und vermögensunabhängig gewährt. Sowohl dem Kind als auch dessen Eltern steht das Recht der einkommens- und vermögensabhängigen Leistungsgewährung aus § 92 Abs. 2 SGB 12 zu.
4. Der Besuch einer OGS ist bei einem behinderten Kind Schulbildung i. S. des § 54 SGB 12. Unbeachtlich ist, dass für die OGS eine Schulpflicht nicht besteht.
5. Die Regelung des § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB 12 umfasst nicht nur den Pflichtunterricht in der Schule. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Eingliederungshilfe auch in Form eines Integrationshelfers für die OGS bei einem behinderten Kind ergibt sich daraus, dass das Kind erst damit insgesamt seine Rechte, die Grundschule mit ihren vollständigen Angeboten zu besuchen, ausüben kann.
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2012 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur angemessenen Schulbildung durch Übernahme auch der Kosten des Integrationshelfers für die Stunden, da der Kläger an der Offenen Ganztagsschule teilnimmt, zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers auch für den Zeitraum der Offenen Ganztagsschule (OGS) über den Pflichtunterricht am Vormittag hinaus.
Der am 00.00.2006 geborene Kläger ist aufgrund einer Trisomie 21 schwerbehindert mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen G und H. Er erfüllt die Voraussetzungen der Pflegestufe II der Pflegeversicherung. Bei ihm wurde ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 22.02.2012 der Sonderpädagogin U, das den Förderbedarf beschreibt, wird Bezug genommen. Der Kläger lebt bei seinen Eltern in der Familie und hat noch eine weitere Schwester, die am 00.00.2007 geboren wurde.
Er besucht seit August 2013 die S-schule in C im regulären Schulunterricht am Vormittag und in der Offenen Ganztagsbetreuung am Nachmittag. Er besucht dort eine sogenannte GU-Klasse, in der gemeinsamer Unterricht von Kindern mit und ohne Förderbedarf stattfindet. Sämtliche Kinder nehmen an der OGS teil.
Der Kläger beantragte am 07.02.2012 die Übernahme der Kosten für die Person eines Integrationshelfers für den gesamten Schulbesuch, klarstellend am 11.05.2012 ausdrücklich auch für die Zeit der Offenen Ganztagsschule am Nachmittag. Mit Bescheid vom 23.07.2012 bewilligte die Beklagte 24 Fachleistungsstunden für die OGS lediglich unter Zuzahlung von 1.716,88 Euro monatlich für die Monate August und September und ab Oktober von 1.616,50 Euro jeden Monat ausgehend von einem um 13,90 Euro bereinigten Nettogesamteinkommen der Eltern inklusive Kindergeld in Höhe von 3.990,50 Euro. Ferner sei einmalig das über der Vermögensfreigrenze von 3.982 Euro liegende Vermögen aus dem Rückkaufswert einer Kapitallebensversicherung mit 3.543,00 Euro, dem Bausparguthaben von 1.380,12 Euro und dem Betrag von 705,53 Euro auf dem Tagesgeldkonto jenseits des Freibetrags von 3.982 Euro, mithin in Höhe von 1.646,65 Euro, zu verwerten.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Hilfe zur angemessenen Schulbildung schließe den Besuch der OGS ein. An der S-schule sei die gesamte GU-Klasse in der OGS. Es würde eine Diskriminierung des Klägers darstellen, sollte er auf Grund der fehlenden Integrationskraft nicht die Möglichkeit erhalten, den Tag im Klassenverband zu verbringen. Dies sei nur mit Integrationshelfer auch während der OGS möglich. Der Kläger habe ein Recht auf Bildung ohne Diskriminierung und auf der Grundlage von Chancengleichheit. Die Eltern könnten die geforderte Zuzahlung zum Integrationshelfer nicht bezahlen. Um dem Kläger auch auf privater Ebene Chancengleichheit zu bieten, seien die Eltern des Klägers schon privat mit einem höheren Kostenbeitrag gefordert, als Eltern von "normalen" Kindern seien, da einige Therapien, wie ...