Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Grundsicherungleistung bei Erwerbsunfähigkeit wegen Behinderung. Höhe der Regelleistung. Anforderung an die Annahme der Führung eines eigenen Haushaltes
Leitsatz (redaktionell)
Ein volljähriger behinderter Mensch, der aufgrund seiner Behinderung erwerbsunfähig ist, hat auch dann einen Anspruch auf Gewährung einer Regelleistung im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit in Höhe der Regelbedarfsstufe 1, wenn er außerhalb einer Lebensgemeinschaft mit anderen erwachsenen Personen in einem Haushalt lebt, solange er einen eigenen Haushalt führt. Dabei ist die Führung eines eigenen Haushaltes in diesem Fall schon dann anzunehmen, wenn der Betroffene ein privates häusliches Umfeld nutzen will und kann, was im Regelfall anzunehmen sein wird. Auf die Erledigung bestimmter typischer Haushaltsaufgaben kommt es hingegen nicht an.
Tenor
Der Bescheid vom 27.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2011 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.05.2011 bis zum 30.04.2012 Leistungen der Grundsicherung ausgehend von der Regelbedarfsstufe 1 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anwendung der Regelbedarfsstufe 1 statt 3 im Rahmen des Vierten Kapitels des SGB XII bei einem erwachsenen behinderten Menschen, der bei seinen Eltern lebt.
Der am 00.00.1964 geborene, nicht verheiratete Kläger ist schwerbehindert und dauerhaft voll erwerbsgemindert. Er lebt zusammen mit seinen Eltern in einer angemieteten Wohnung und bezieht seit einigen Jahren Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel. Über das Kindergeld hinaus verfügt er über keine eigenen Einkünfte.
Mit Bescheid vom 27.04.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum Mai 2011 bis April 2012. Dabei legte sie die Regelbedarfsstufe 3 zugrunde. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 27.04.2011 Bezug genommen. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, indem er sich gegen die Kürzung des Regelsatzes um 20 % durch Anwendung der neuen Regelbedarfsstufe 3 statt des bisherigen vollen Regelsatzes wandte. Er komme mit 291 EUR statt bisher 359 EUR nicht aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2011 wies der Kreis I den Widerspruch zurück. Die Anwendung der Regelbedarfsstufe 3 sei rechtmäßig. Er führe keinen eigenen Haushalt. Die veränderte Leistungshöhe ergebe sich aus der Gesetzesänderung zum 01.01.2011 durch die Einführung des Gesetzes zur Ermittlung des Regelbedarfs (RBEG).
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 27.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2011 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm für den Bewilligungszeitraum 01.05.2011 bis zum 30.04.2012 Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
Die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt ihre bisherigen Ausführungen.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens. Die Beteiligten haben einer gerichtlichen Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs.2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2011 insoweit beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, als dem Kläger in diesem Bescheid Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 3 statt der Regelbedarfsstufe 1 gewährt wurden. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2011 bis 30.04.2012 einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1.
Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist älteren und dauerhaft erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Die Leistungen umfassen gemäß § 42 Nr. 1 die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28; § 27 a Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 und 2 ist anzuwenden; § 29 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 bis 5 ist nicht anzuwenden. Gemäß der Anlage zu § 28 SGB XII beträgt der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 seit dem 01.01.2011 monatlich 364 EUR, seit dem 01.01.2012 monatlich 374 EUR, seit dem 01.01.2013 monatlich 382 EUR und seit dem 01.01.2014 391 EUR für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder...