Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Grundsicherungleistung bei Erwerbsunfähigkeit wegen Behinderung. Höhe der Regelleistung. Anforderung an die Annahme der Führung eines eigenen Haushaltes
Orientierungssatz
Ein volljähriger behinderter Mensch, der aufgrund seiner Behinderung erwerbsunfähig ist, hat auch dann einen Anspruch auf Gewährung einer Regelleistung im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit in Höhe der Regelbedarfsstufe 1, wenn er außerhalb einer Lebensgemeinschaft mit anderen erwachsenen Personen in einem Haushalt lebt, solange er einen eigenen Haushalt führt. Dabei ist die Führung eines eigenen Haushaltes in diesem Fall schon dann anzunehmen, wenn der Betroffene ein privates häusliches Umfeld nutzen will und kann, was im Regelfall anzunehmen sein wird. Auf die Erledigung bestimmter typischer Haushaltsaufgaben kommt es hingegen nicht an.
Tenor
Der Bescheid vom 27.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2012 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin ab dem 01.06.2011 bis zum 30.09.2011 Leistungen der Grundsicherung ausgehend von der Regelbedarfsstufe 1 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anwendung der Regelbedarfsstufe 1 statt 3 im Rahmen des 4. Kapitels des SGB XII für einen älteren Menschen mit Schwerbehinderung.
Die am 00.00.1954 geborene Klägerin bezieht seit dem 01.08.2008 Leistungen nach dem SGB XII. Sie lebte zunächst bei ihrem Sohn C C1 und dessen Ehefrau. Sie ist voll erwerbsgemindert. Vom Amtsgericht wurde ihr Sohn als Betreuer bestellt. Seit dem 01.12.2012 lebt die Klägerin wieder in einer eigenen Wohnung.
Mit Bescheid vom 27.06.2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für den Zeitraum Juni 2011 bis September 2011 unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 3. Für die Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 27.06.2011 Bezug genommen. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie sei nicht damit einverstanden, dass sie nur den Regelsatz eines Haushaltsangehörigen erhalte. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2012 wies der Kreis Herford den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen, da sie keinen eigenen Haushalt führe.
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter und wiederholt ihre Argumentation.
Sie beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 27.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für den Bewilligungszeitraum Juni 2011 bis September 2011 Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch sie wiederholt ihre Ausführungen und verweist zudem auf eine Weisung und Stellungnahme des BMAS zur Umsetzung der betreffenden Urteile des Bundessozialgerichts.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens. Die Beteiligten haben einer gerichtlichen Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs.2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2012 insoweit beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, als der Klägerin in diesem Bescheid Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 3 statt der Regelbedarfsstufe 1 gewährt wurden. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum Juni 2011 bis September 2011 einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1.
Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist älteren und dauerhaft erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Die Leistungen umfassen gemäß § 42 Nr. 1 die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28; § 27 a Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 und 2 ist anzuwenden; § 29 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 bis 5 ist nicht anzuwenden. Gemäß der Anlage zu § 28 SGB XII beträgt der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 seit dem 01.01.2011 monatlich 364 EUR, seit dem 01.01.2012 monatlich 374 EUR, seit dem 01.01.2013 monatlich 382 EUR, seit dem 01.01.2014 391 EUR und seit dem 01.01.2015 399 EUR für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder m...