Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Folgenabwägung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Europarechtskonformität. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Da eine abschließende materiell-rechtliche Klärung der Frage der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses für ausländische Unionsbürger bei Aufenthalt zur Arbeitsuche gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erfolgen kann, ist im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden.
2. Der Leistungsausschluss gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 ist vorbehaltlich der Europarechtskonformität auch auf Unionsbürger anzuwenden, für die ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nie bestanden hat oder bei denen es weggefallen ist und für die kein anderes Aufenthaltsrecht feststellbar ist.
Gründe
I.Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob der Antragsteller aufgrund des Leistungsausschlusses des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB II) dem Grunde nach von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.Der Antragsteller ist am 29.03.1977 geboren. Er ist bulgarischer Staatsangehöriger. Im Jahr 1995 absolvierte er sein Abitur an einem russischen Gymnasium in Bulgarien. Von 1999 bis 2005 war er als Bauarbeiter tätig. Im Jahr 2002 wurde er parallel zum Tischler ausgebildet. Ab 2006 lebte er in Griechenland und war dort bis 2010 als Bauarbeiter und an einer Tankstelle tätig. Seit dem Jahr 2011 ist er arbeitsuchend.
Im Januar 2013 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein. Vom 03.02.2013 bis zum 10.09.2013 befand er sich in der Justizvollzugsanstalt Dortmund in Untersuchungshaft. Der zugrundeliegende Haftbefehl wurde nach dem Stand der Akte zwischenzeitlich aufgehoben. Im Rahmen einer Aufenthaltsanzeige beim Ausländeramt der Stadt Hagen erklärte der Antragsteller am 02.10.2013, dass er sich zur Arbeitsuche in Hagen aufhalte. Er legte hierbei eine Auflistung diverser Zeitarbeitsfirmen vor, bei denen er Arbeit gesucht habe. Der Antragsteller steht seit Oktober 2013 in Kontakt mit der Beratungsstelle für Wohnungslose Hagen der XXX.Mit Unterbringungsverfügung vom 20.01.2014 wies die Stadt Hagen dem Antragsteller eine Unterkunft im städtischen Männerasyl in der XXX in Hagen zu. Nach dem Aktenstand bewohnt der Antragsteller diese Unterkunft seitdem. Am 27.01.2014 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er erklärte, dass er kein Einkommen und keine Ersparnisse habe. Er habe aber bisher von seinem Ersparten gelebt, zusätzlich hätten ihm "Kollegen" etwas gegeben.Mit Bescheid vom 05.02.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Das Aufenthaltsrecht des Antragstellers ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche, so dass er vom Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II erfasst sei.Unter dem 27.02.2014 erließ die Stadt Hagen eine weitere Einweisung des Antragstellers in das Männerasyl.Am 03.03.2014 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.02.2014. Der Antragsgegner hat diesen Widerspruch nach dem Stand der Akte bislang nicht beschieden.Ebenfalls am 03.03.2014 hat der Antragsteller bei der erkennenden Kammer einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel einer vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt. Mit Schriftsatz vom 07.03.2014 hat er den Antrag dahingehend konkretisiert, dass Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nur der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts sei.Der Antragsteller trägt vor, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 Satz 2 SGB II nicht anwendbar sei. Dieser verstoße insbesondere gegen Art.1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA).Seit Anfang 2013 habe er etwa 40 Bewerbungen geschrieben. Aufgrund seiner Unterbringung im Männerasyl und wegen des fehlenden Führerscheins seien diese ohne Erfolg geblieben. Seine Kenntnisse der deutschen Sprache seien so ausgeprägt, dass er sich mühelos verständigen könne. Seine Motivation, eine Stelle zu finden, sei sehr hoch.Im Rahmen seiner ersten eidesstattlichen Versicherung (datiert auf den 25.02.2014) hat der Antragsteller im Hinblick auf seine Hilfebedürftigkeit zunächst vorgetragen, dass er völlig mittellos sei, was sich auch aus seinen Kontoauszügen ergebe. Mit Schriftsatz vom 07.03.2014 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers sodann erklärt, dass der Antragsteller über gar kein Konto verfüge. Die eidesstattliche Versicherung stamme aus einem anderen Verfahren, in dem der Antragsteller ein Konto innegehabt habe. Mit Schriftsatz vom 18.03.2014 hat der Antragsteller eine neue eidesstattliche Versicherung übersandt.Auf Anfrage des Gerichts vom 14.04.2014 hat der Antragsteller weiter ausgeführt, dass er nicht krankenversichert sei. Er habe überdies weder in Deutschland noch in einem anderen EU-Mitgliedsstaat Bezug zu einem so...