Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Interessenabwägung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erteilung eines Hausverbots. nachhaltige Störung des Dienstbetriebes. Fertigung einer Lichtbildaufnahme in den Räumlichkeiten des Grundsicherungsträgers. Verhältnismäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Fertigung einer Lichtbildaufnahme von einem Vordruck in den Räumlichkeiten eines Grundsicherungsträgers stellt keine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes als Voraussetzung für die Erteilung eines Hausverbots dar.
2. Ein Hausverbot stellt sich darüber hinaus nicht als das mildeste Mittel dar, um weitere Verstöße gegen das Verbot der Fertigung von Lichtbildaufnahmen zu verhindern. Insbesondere angesichts des erstmaligen Verstoßes wäre die Erteilung eines Hausverbots zuvor anzudrohen gewesen.
3. Daneben erscheint auch die Dauer des erteilten Hausverbots (mehr als 18 Monate) unverhältnismäßig lang.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30.06.2017 gegen den Bescheid vom 22.06.2017 wird angeordnet.
Der Antragsgegner erstattet die Kosten des Antragstellers.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T beigeordnet.
Gründe
I. Der von dem Antragsteller schriftsätzlich gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 36.06.2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22.06.2017 anzuordnen,
ist zulässig und begründet.
Statthafter Rechtsbehelf für das von dem Antragsteller auch im Übrigen zulässig verfolgte Begehren ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Rechtsbehelfs gegen den Verwaltungsakt vom 31.05.2017 - Hausverbotsverfügung für die Zeit vom 22.06.2017 bis zum 31.12.2018 - gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.
Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Durch die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird der Antragsgegner grundsätzlich gehalten, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von der Vollziehung des Verwaltungsakts abzusehen.
Die angegriffene Entscheidung des Antragsgegners ist gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG aufgrund behördlicher Anordnung sofort vollziehbar.
Ein Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung und dem durch den Antragsgegner vertretenen Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers überwiegt. Bei der Interessenabwägung ist u. a. die nach summarischer Prüfung der Rechtslage zu bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 12c, m.w.N.; Berlit, info also 2005, S. 3, 6; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, S. 92).
Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet hat (§ 86a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SGG). Es besteht nur dann Anlass hiervon abzuweichen, wenn im Einzelfall gewichtige Argumente für eine Umkehr des gesetzgeberisch angenommenen Regelfalls sprechen, d. h. besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung in den Vordergrund treten lassen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 12i, m.w.N.).
Hat die Hauptsache offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheids kein öffentliches Interesse besteht. Bei einem als rechtmäßig zu beurteilenden Bescheid hingegen bedarf es noch eines besonderen Interesses am Vollzug schon vor Eintritt der Bestandskraft (vgl. § 86a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SGG). Deshalb muss auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG formell und materiell rechtmäßig erfolgt sein (vgl. zu allem Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 12i).
Im vorliegenden Fall fällt die vorzunehmende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 86a Abs. 1 SGG zu Gunsten des Antragstellers aus. Die Hausverbotsverfügung des Antragsgegners vom 22.06.2017 erscheint trotz der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausschließlich möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig. Damit ist ein Erfolg des Antragstellers im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren überwiegend wahrscheinlich.
Rechtsgrundlage für das Hausverbot vom 22.06.2017 ist die Sachkompetenz des Antragsgegners zur Erfüllung der ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben. Das Hausrecht ist notwendiger Annex dieser Sachkompetenz. Der Träger öffentlicher Gewalt, der die Erfüllung einer bestimmten Sachaufgabe im Rahmen der öffentliche...