Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktionsbescheide. fehlende Aufhebung bzw Rücknahme der Bewilligungsbescheide
Orientierungssatz
1. Ein Sanktionsbescheid nach §§ 31 ff SGB 2 "geht ins Leere", wenn für den Sanktionszeitraum bereits Leistungen nach dem SGB 2 bewilligt worden sind und entsprechende Bewilligungsbescheide nicht im Umfang der Minderung des Auszahlungsanspruchs nach § 48 SGB 10 aufgehoben werden (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 3, vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 4 und vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R).
2. Hieran ist auch nach der zum 1.4.2011 in Kraft getretenen Neuregelung des § 31b Abs 1 S 1 SGB 2 festzuhalten (Anschluss an SG Dortmund vom 26.5.2014 - S 35 AS 1758/14 ER).
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren, weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 76,40 € für die Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.08.2013, in Höhe von 114,60 € für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 30.11.2013, in Höhe von 114,60 € für die Zeit vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 und in Höhe von 114,60 € für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 auszuzahlen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um den Umfang der Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (nachfolgend: SGB II).
Die 1965 geborene Antragstellerin zu 1) und ihr 1998 geborener Sohn, der Antragsteller zu 2), für den die Antragstellerin zu 1) das alleinige Sorgerecht innehat, beantragten am 21.03.2013 erstmals Leistungen nach dem SGB II bei dem Antragsgegner. Bei Antragstellung reichte die Antragstellerin zu 1) eine Bescheinigung ihres geschiedenen Ehemannes ein, wonach dieser “meiner geschiedenen Ehefrau„ wöchentlich 100 € “plus minus 10 €„ als Unterhalt in Bar zahle.
Die Antragsteller beziehen Leistungen seit dem 01.03.2013, zunächst auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 03.05.2013, der sich auf den Bewilligungszeitraum vom 01.03.2013 bis zum 31.08.2013 bezog. Der Antragsgegner rechnete dabei bei den Antragstellern jeweils ein Einkommen aus “Unterhalt„ i. H. v. 200,00 € an.
Mit Schreiben vom 21.06.2013 lud der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1) unter Bezugnahme auf § 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (SGB III) für den 28.06.2013 um 10:30 Uhr zu einem Gespräch über ihre aktuelle berufliche Situation ein. Er wies die Antragstellerin zu 1) dabei unter Bezugnahme auf eine auf der Rückseite des Einladungsschreibens abgedruckte ausführliche Rechtsfolgenbelehrung darauf hin, dass das Arbeitslosengeld II (ALG II) bzw. Sozialgeld um 10 % der für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten gemindert werde, wenn sie der Einladung ohne wichtigen Grund nicht Folge leisten sollte. Ferner enthielt das Schreiben einen Hinweis darauf, dass “unter bestimmten Voraussetzungen, wie Notwendigkeit und Eigenleistungsfähigkeit„, (…) Reisekosten erstattet werden„ können. Die Antragstellerin zu 1) erschien nicht zu diesem Termin.
Der Antragsgegner lud daraufhin die Antragstellerin zu 1) mit Schreiben vom 03.07.2013 zu einem neuen Besprechungstermin ein (11.07.2013, 08:45 Uhr) und hörte sie zugleich gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu der wegen des Nichterscheinens am 28.06.2013 beabsichtigten Minderung des ALG II an. Das Schreiben enthält zu der Folgeeinladung unter Bezugnahme auf eine auf der Rückseite des Einladungsschreibens abgedruckte ausführliche Rechtsfolgenbelehrung den Hinweis, dass ALG II bzw. Sozialgeld “nochmals um 10 %„ der für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten gemindert werde, wenn sie der Einladung ohne wichtigen Grund nicht Folge leisten sollte. Die Minderung aufgrund des Nichterscheinens am 28.06.2013 bleibe hiervon unberührt. Zu dem Folgetermin am 11.07.2013 solle die Antragstellerin zu 1) auch Nachweise über ihre Bewerbungsaktivitäten (Kopien der Bewerbungsschreiben) mitbringen. Auch dieses Schreiben enthielt einen Hinweis auf eine mögliche Fahrtkostenerstattung. Die Antragstellerin zu 1) erschien auch zu diesem zweiten Termin nicht und nahm zunächst nicht zu der beabsichtigten Minderung (Sanktion) Stellung.
Der Antragsgegner lud daraufhin die Antragstellerin zu 1) mit Schreiben vom 11.07.2013 zu einem neuen Besprechungstermin ein (19.07.2013, 10:15 Uhr) und hörte sie zugleich gem. § 24 SGB X zu der wegen des Nichterscheinens am 11.07.2013 beabsichtigten Minderung des ALG II an. Das Sc...