Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Europarechtskonformität. Folgenabwägung
Orientierungssatz
1. Da eine abschließende materiell-rechtliche Klärung der Fragen, wie weit der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 rein tatsächlich reicht, ob er im Falle seiner Anwendbarkeit mit europäischem Recht vereinbar ist und welche Folgen sich aus einer etwaigen Unvereinbarkeit der Norm im europäischen Recht ergeben, in der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen Eile nicht erfolgen kann, ist im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden.
2. Jedenfalls die Unklarheiten im Hinblick auf den vom EuGH vertretenen Arbeitnehmerbegriff führen dazu, dass eine abschließende Klärung der Rechtslage im Eilverfahren auch nach der Entscheidung des EuGH vom 11.11.2014 - C-333/13 = NJW 2015, 145 (Dano) noch nicht möglich ist.
Tenor
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller vorläufig im Hinblick auf eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache für den Zeitraum vom 26.09.2014 bis zum 31.03.2015 den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß den §§ 20 Abs.1, 20 Abs.2 Satz 1 SGB II zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 2/3.
Gründe
I.: Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiliges Rechtsschutzes darum, ob der Antragsteller aufgrund des Leistungsausschlusses des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB II) dem Grunde nach von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Der am 17.03.1971 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger. Er ist von Beruf Schlosser, war aber in den letzten Jahren vor seiner Ausreise aus Polen als Fliesenleger auf dem Bau tätig. Am 16.02.2014 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 11.07.2014 und am 14.07.2014 beantragte er beim Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Er gab in diesem Zusammenhang an, vom 14.02.2014 bis zum 17.04.2014 bei der Fa. X. in Dortmund tätig gewesen zu sein. Sodann habe er einen Arbeitsunfall erlitten und sei in der Folge stationär behandelt worden. Nach Abschluss der Tätigkeit habe er erfahren, dass der Arbeitgeber ihn nicht bei der Sozialversicherung angemeldet habe. Ermittlungen des Antragsgegners im Verwaltungsverfahren bestätigten, dass die vom Antragsteller vorgetragene Tätigkeit nicht als sozialversicherungspflichtig gemeldet worden war. Mit Bescheid vom 31.07.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag unter Verweis auf die Vorschrift des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II ab. Ein am 07.08.2014 hiergegen erhobener Widerspruch des Antragstellers wurde vom Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2014 zurückgewiesen. Der Antragsteller erhob am 15.09.2014 gegen den Ablehnungsbescheid vom 31.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2014 Klage. Diese wird bei der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen S 35 AS 3737/14 geführt. Am 26.09.2014 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel einer vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt. Er begehrt neben der Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts ausdrücklich auch die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der hälftigen Unterkunftskosten der von ihm mit Herrn X. bewohnten Wohnung X. in X.. Bei Herrn X. handele es sich um einen Freund aus Polen und Arbeitskollegen aus der Tätigkeit bei der Fa. X.. Der vom Antragsgegner angenommene Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II sei insbesondere im Hinblick auf den in Art.4 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit (in der Folge VO (EG) 883/04) normierten Gleichbehandlungsgrundsatz nicht anwendbar. Sofern er selbst aufgrund seines Arbeitsunfalls als nicht erwerbsfähig anzusehen sei, stünden ihm in jedem Fall Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu. Der Antragsteller hat auf weitere Nachfragen des Gerichts vorgetragen, dass Herr X. nicht sein Partner sei. Beide lebten lediglich in einer Wohngemeinschaft, um Mietkosten zu sparen. Er sei in Polen krankenversichert gewesen, momentan bestehe eine solche Krankenversicherung jedoch nicht mehr. Seit August 2014 sei er wieder arbeitsfähig. Er sei seit dem 11.07.2014 bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet. Er bewerbe sich sowohl auf ihm von dort aus unterbreitete Stellenangebote als auch darüber hinaus bei Zeitarbeitsfirmen. Er habe kurzfristig auch ein Vorstellungsgespräch für eine Tätigkeit als Fliesenleger. Seine Bemühungen hätten insbesondere aufgrund seiner fehlenden Deutschkenntnisse noch keinen Erfolg gehabt. Er beab...