Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht: Feststellung des Grades der Behinderung. Bildung eines Gesamt-GdB. Voraussetzung der Änderung einer Entscheidung über den Gesamt-GdB

 

Orientierungssatz

1. Die Änderung der Feststellung eines Gesamtgrades der Behinderung (Gesamt-GdB) kommt nicht in Betracht, wenn zwar ein weiterer Gesundheitsschaden zu den bestehenden Beeinträchtigungen hinzutritt, sich aufgrund der Geringgradigkeit der weiteren Beeinträchtigung aus dieser aber kein mindestens um 10 höherer Gesamt-GdB ergibt.

2. Einzelfall zur Ermittlung des Grades der Behinderung für verschiedene Gesundheitsbeeinträchtigungen in Bezug auf unterschiedliche Körperfunktionen und Bildung eines Gesamt-GdB.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.04.2019; Aktenzeichen B 9 SB 2/19 BH)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Behinderungsgrad des Klägers.

Mit Bescheid vom 07.10.2008 hatte der Beklagte bei dem XXXX geborenen Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt und dabei nach der gutachtlichen Stellungnahme vom 22.09.2008 eine Schwerhörigkeit, Ohrerkrankung mit einem Einzel-GdB von 30 und ein Wirbelsäulenleiden, Beckenschiefstand mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt.

Die im Hinblick auf die Unfallfolgen des rechten Knies mit Änderungsantrag vom 02.01.2012 begehrte Feststellung eines höheren Behinderungsgrades und die Zuerkennung von Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 01.02.2012 ab, da eine wesentliche Verschlimmerung, die einen höheren Behinderungsgrad rechtfertigen würde, nicht festzustellen sei und für das Merkzeichen schon die festgestellte Schwerbehinderung fehle.

Den Widerspruch vom 29.02.2012, mit dem der Kläger auf das teils steife Kniegelenk, ständige Schmerzen und eine ausgeprägte Gehbehinderung hinwies, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 gestützt auf die Gründe des Ausgangsbescheides zurück. Den Verwaltungsentscheidungen lagen neben den Befund- und Behandlungsberichten der Radiologen T und des Orthopäden Q die gutachtlichen Stellungnahmen vom 24.01.2012 und vom 21.03.2012 zugrunde, in denen zusätzlich der Unfallfolgezustand des rechten Knies mit einem Einzel-GdB von 10 ausgewiesen wurde.

Mit der am 05.07.2012 erhobenen Klage beansprucht der Kläger die Feststellung eines höheren Behinderungsgrades und macht geltend, die ausgeprägten Funktionseinschränkungen und Schmerzen des rechten Knies seien nicht angemessen ermittelt und bewertet worden. Des Weiteren hat der Kläger die Behandlungsberichte der Orthopädischen Klinik W von Dezember 2014 und der Sportklinik I von Oktober 2015 eingebracht.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 zu verurteilen, einen GdB von 50 ab der Änderungsantragstellung vom 02.01.2012 zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat ein orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. M/Dr. B vom 28.02.2017 eingeholt, auf das für den Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird. Die gutachtlichen Ausführungen bestätigen die von dem Beklagten zugrunde gelegten Einzelbehinderungsgrade von 30 für das Ohrenleiden, von 20 für das Achsenorgan mit Beckenschiefstand und von 10 für das rechte Knie sowie den Gesamtbehinderungsgrad von 40.

Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, dass die Behinderung des Knies in Relation zu den erheblichen Funktionseinschränkungen unterbewertet sei, und hebt hervor, er könne nicht mehr Sport treiben, tanzen oder wandern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da er die Feststellung eines höheren Behinderungsgrades nicht beanspruchen kann. Das Gesamtbehinderungsausmaß ist mit einem GdB von 40 über den Zeitpunkt der Änderungsantragstellung im Januar 2012 hinausgehend angemessen bewertet.

Der Anspruch auf Feststellung eines höheren Behinderungsgrades basiert auf § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in Verbindung mit § 69 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wie die Feststellung des bisherigen Behinderungsgrades ist mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist (§ 48 Abs. 1 SGB X). Wesentlich ist eine Änderung der Verhältnisse, wenn der aktuell festzustellende Gesamt-GdB von dem ursprünglich festgestellten Gesamt-GdB um mindestens 10 abweicht. Auf Antrag des behinderten Menschen stellt die zuständige Behörde die Behinderung und den GdB fest. Tritt durch Verschlechterung der Gesundheit eine ...

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