Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. stationäre Krankenhausbehandlung. neue Behandlungsmethode. Wirtschaftlichkeitsgebot. Verbotsvorbehalt. operative Maßnahme zur Adipositasbehandlung (hier EndoBarrier®-Therapie). Ausschöpfung konservativer Mittel. Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
1. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V folgt entgegen der Rechtsprechung des BSG nicht, dass neue Methoden im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse erst erbracht werden dürften, wenn ihre Erprobung abgeschlossen sei und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen möglich seien. Vielmehr hat der Gesetzgeber dort eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt geregelt.
2. Eine operative Maßnahme zur Behandlung der Adipositas kommt auch weiterhin idR nur nach Ausschöpfung der konservativen Mittel in Betracht, wozu insbesondere eine multimodale Therapie von 6 - 12 Monaten (integrierte Therapie) gehört.
3. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V reicht nicht weiter als der zugrunde liegende Sachleistungsanspruch nach dem SGB V.
Orientierungssatz
1. Zu Leitsatz 1 vgl ua BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 2/12 R = BSGE 113, 167 = SozR 4-2500 § 137c Nr 6)
2. Zu Leitsatz 2 vgl ua BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 20.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung zur Anlage eines EndoBarriers®.
Der 70-jährige Kläger stellte mit Schreiben vom 02.03.2013 einen Antrag auf Gewährung einer EndoBarrier®-Therapie. Dabei handelt es sich um einen dünnen, flexiblen Schlauch, der unterhalb des Magens in den Darm implantiert wird und eine physische Barriere zwischen der Darmwand und der aufgenommenen Nahrung herstellt. Der Kläger gab an, dass er unter Adipositas leide, wodurch ein Diabetes mellitus verursacht worden und die Implantation eines künstlichen Hüft- und beider Kniegelenke erforderlich geworden sei. Er habe bereits diverse Diäten, Nahrungsumstellung versucht, ohne dass ein nennenswerter Erfolg eingetreten sei. Den EndoBarrier® würde er als schonendere Alternative einer Magenband-/-bypassoperation vorziehen. Am 04.04.2013 beantragte er nochmals die Gewährung der Therapie. Die Beklagte schaltete darauf hin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, der in seinem Gutachten vom 23.04.2013 mitteilte, dass es sich um eine neue Behandlungsmethode handele, der es an einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) fehle. Eine notstandsähnliche Situation liege nicht vor. Eine Gewichtsreduktion könne auch auf konventionellem Weg erreicht werden. Den Antrag lehnte die Beklagte im Rahmen eines Telefonat am 30.04.2013 mündlich ab. Auf Wunsch des Klägers wurde die Ablehnung zudem am 06.05.2013 schriftlich bestätigt.
Dagegen erhob der Kläger am 21.05.2013 Widerspruch. Er habe alle konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft und leide unter Depressionen, Diabetes mellitus, Kurzatmigkeit, Bluthochdruck etc.. Daher sei die Maßnahme erforderlich. Beigefügt war ein Attest von XXX, Facharzt für Orthopäde, vom 15.05.2013, worin dieser angab, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen die vom MDK vorgeschlagene Bewegungstherapie nicht durchführen könne. Die Beklagte forderte nochmals ein Gutachten des MDK an. Im Gutachten vom 07.06.2013 teilte dieser mit, dass regelmäßig keine tödlich verlaufende Erkrankung vorliege, ebenso wenig eine notstandsähnliche Situation. Zudem sei der Kläger in der Lage gewesen, 15 Kg abzunehmen, so dass die konservativen Mittel genügen würden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 23.04.2014 zurück. Eine stationäre Krankenhausbehandlung sei nicht erforderlich, da der Kläger die Gewichtsabnahme auf konservativen Weg erreichen könne.
Mit der am 08.05.2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus, dass er unter gefährlichem Bauchfett leide, dass durch die konservativen Mittel nicht zu beseitigen sei. Sportliche Aktivitäten zur Gewichtsreduktion könne er wegen seiner orthopädischen Beschwerden nicht durchführen. Weitere Diätmöglichkeiten bestünden nicht. Als Diabetiker ernähre er sich schon bewusst. Die Kasse habe auch sonstige Möglichkeiten nicht bewilligt. U.a. habe man eine Optifast-Diät abgelehnt. Der EndoBarrier® sei schließlich die mildeste operative Methode.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung der Verwaltungsakte vom 30.04.2013 und vom |
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06.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2014 zu |
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verurteilen, ihm eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Anlage eines |
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EndoBarriers® als Sachleistung zu bewilligen. |
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie zunächst auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass in der Rechtsprechung geklärt sei, dass operative Maßnahmen...