Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. Stichtagsregelung. Verfassungsmäßigkeit. chronische Bronchitis

 

Orientierungssatz

Im Rahmen des § 551 Abs 1 RVO verstößt die zeitliche Beschränkung der Rückwirkung nach Maßgabe des § 6 Abs 2 BKV grundsätzlich nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, weil für eine solche Beschränkung der Leistungsgewährung in der Vergangenheit sachliche Gründe angeführt werden können.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 30.03.2007; Aktenzeichen 1 BvR 3144/06)

BSG (Urteil vom 13.06.2006; Aktenzeichen B 8 KN 3/05 U R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen, insbesondere einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit (BK) entsprechend der Nr. 4111 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1934 geborene Kläger war vom 11.07.1951 bis 30.06.1953 und erneut vom 08.02.1954 bis 15.05.1979 im Bergbau unter Tage angelegt. Nach der Abkehr war er bis 18.08.1999 außerhalb des Bergbaus als Maurer beschäftigt und danach arbeitsunfähig. Seit dem 14.01.1992 bezieht er vorzeitige Rentenleistungen von der Bundesknappschaft.

Im Anschluss an die von Dr. H aus M unter dem 18.06.2003 erstellte Verdachtsanzeige hinsichtlich einer BK entsprechend der Nr. 4111 ließ die Beklagte von ihrem Technischen Aufsichtsdienst (TAD) die Staubbelastung ermitteln. Unter dem 08.10.2003 gelangte der TAD zu einer kumulativen Feinstaubdosis von 111 Staubjahren im untertägigen Steinkohlenbergbau.

Ferner zog die Beklagte medizinische Unterlagen zur BK 4101 (Silikose), der Bundesknappschaft, der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser sowie Vorgänge des Versorgungsamtes E bei. Dabei ist aufgrund der Stellungnahme des Arbeits- und Sozialmediziners Dr. F aus D vom 23.07.2003 von leichtgradigen Quarzstaublungenveränderungen entsprechend der ILO-Klassifikation qq 1/1 ohne deswegen zu erwartende Funktionsbeeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems auszugehen. Neben Lungenfunktionsmessdaten vom 16.07.1988 mit Hinweisen auf eine Obstruktion und Ventilationsstörung liegt der Heilverfahrensentlassungsbericht aus C (15.09. bis 13.10.1992) vom 02.11.1992 mit den Diagnosen eines Lungenemphysems sowie einer chronischen Emphysembronchitis vor. Das Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Bundesknappschaft vom 31.03.1993 ging von einer chronischen Emphysembronchitis mit Einschränkung der Lungenfunktion aus. In einer gutachtlichen Stellungnahme für das Versorgungsamt E vom 22.05.1999 wurde die chronische Bronchitis und die Lungenüberblähung mit einem GdB von 40 bewertet.

Sodann ließ die Beklagte den Kläger durch den Arbeits-, Sozial- und Umweltmediziner Dr. Q aus D begutachten. Unter dem 23.12.2003 beschreibt dieser Arzt zusammenfassend eine chronische obstruktive Bronchitis, die in den 70er Jahren begonnen haben dürfte, obstruktive Verteilungsstörungen seien seit Oktober 1992 gesichert. Seitdem sei auch das Lungenemphysem radiologisch und funktionsanalytisch nachgewiesen.

Durch Bescheid vom 18.02.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung der streitbefangenen BK ab mit der Begründung, dass der Versicherungsfall der beim Kläger bestehenden chronischen Bronchitis und des Emphysems seit dem 15.09.1992 und damit vor dem Stichtag des 31.12.1992 eingetreten sei.

Mit seinem Widerspruch vom 24.07.2004 hiergegen machte der Kläger geltend, er sei in keiner Weise mehr belastbar, gerate selbst beim Schuhezubinden in Luftnot und leide bei Wetterwechseln und Umwelteinflüssen unter akuter Atemnot. Allerdings gehe er davon aus, dass der Versicherungsfall erst nach dem 01.01.1993 eingetreten sei. Die von der Beklagten angeführte Stichtagsregelung halte er für verfassungswidrig.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12.10.2004 als unbegründet zurück. Bereits während der Kur in C vom 15.09. bis 13.10.1992 habe sich eine gemischte Ventilationsstörung und eine deutliche Lungenüberblähung gezeigt. Deswegen habe der Internist Dr. F1 ab Oktober 1992 regelmäßig bronchialerweiternde Medikamente verordnet. Die Rückwirkungsregelung des § 6 Abs. 2 BKV sei wirksam, solange sie nicht aufgehoben oder vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht für nichtig erklärt worden sei.

Mit der hiergegen am 22.10.2004 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er verweist darauf, erst seit 2000 ernsthafte Atemwegsprobleme verspürt zu haben, 2002 habe er erstmals Lungenfachärzte aufgesucht. Bei der Atemwegserkrankung im Jahre 1992 habe es sich um eine befristete Erkrankung gehandelt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2004 zu verurteilen, ihm wegen einer Berufskrankheit entsprechend der Nr. 4111 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ab 16.07.1988 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Gericht hat Beweis erhoben du...

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