Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. Verletztenrente. Ausschluss. Berufskrankheit. Stichtagsregelung. Verfassungsmäßigkeit. Prüfungspflicht des Verordnungsgebers. angemessener Zeitraum
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkungsklausel des § 6 Abs 1 BKV.
2. Zur Beobachtungs- und Prüfungspflicht des Verordnungsgebers nach Aufnahme einer Krankheit in die BKV mit einer zeitlich begrenzten Rückwirkung auf früher eingetretene Versicherungsfälle.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Verletztenrente wegen einer chronischen obstruktiven Bronchitis bzw. eines Lungenemphysems (heute: Berufskrankheit Nr. 4111 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung -- BKV --) beanspruchen kann.
Der am 01.02.1931 geborene Kläger war nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten während seiner Tätigkeit im untertägigen Steinkohlenbergbau einer kumulativen Feinstaubdosis von 161 Jahren ausgesetzt.
Im Juli 1997 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren bzgl. der Berufskrankheit Nr. 4111 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ein.
Im Rahmen der Ermittlungen zog sie u.a. die Ergebnisse einer Lungenfunktionsuntersuchung vom 27.09.1985 durch Prof. Dr. R, einer am 08.11.1985 von Prof. Dr. K durchgeführten Lungenfunktionsprüfung sowie einer funktionsanalytischen Untersuchung vom 10.06.1988 durch den behandelnden Pulmologen des Klägers, Dr. S bei.
Anschließend veranlaßte sie eine pulmologische Untersuchung des Klägers durch Dr. S. Dr. S diagnostizierte bei dem Kläger in seinem Gutachten vom 24.02.1998 eine chronische obstruktive Bronchitis und führte diese auf die Untertagetätigkeit des Klägers zurück. Den Versicherungsfall datierte Dr. S auf den 23.09.1996, weil vorherige Messungen der Lungenfunktion keine eindeutigen Einschränkungen hätten belegen können.
Der anschließend mit einer gutachtlichen Stellungnahme beauftragte Prof. Dr. S hingegen legte den Beginn der Erkrankung nach Auswertung der im Jahre 1985 erhobenen Befunde auf den 27.09.1985 (= Lungenfunktionsprüfung durch Prof. Dr. R). Er schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) seit diesem Zeitpunkt auf 20 v.H. und ab dem 23.09.1996 auf 40 v.H.. Darüber hinaus vertrat Prof. Dr. S die Auffassung, dass der Kläger ausweislich der Röntgenaufnahmen vom 20.01.1998 neben der bereits seit 1985 aufgetretenen chronischen obstruktiven Bronchitis mittlerweile auch unter einem Lungenemphysem leide.
Daraufhin lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung mit Bescheid vom 31.07.1998 ab, weil die chronische obstruktive Bronchitis seit dem 05.11.1985 bestehe, der Versicherungsfall somit nicht -- wie in § 6 Abs. 1 BKV vorgesehen -- nach dem 31.12.1992 eingetreten sei.
Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde nach Einholung einer weiteren Stellungnahme von Prof. Dr. S mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.1998 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 07.01.1999 Klage erhoben. Er verweist auf die Ausführungen des Dr. S in seinem Gutachten vom 24.02.1998.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1998 zu verurteilen, dem Kläger wegen einer chronischen obstruktiven Bronchitis bzw. eines Lungenemphysems eine Verletztenrente auf der Grundlage einer MdE in rentenberechtigendem Grade zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das Gericht zunächst ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. S, M, eingeholt. Prof. Dr. S konnte die von Prof. Dr. W gestellte Diagnose eines Lungenemphysems nach Auswertung der vorhandenen Röntgenaufnahmen und Computertomographien nicht bestätigen, bejahte aber eine chronische obstruktive Bronchitis. Allerdings sei der obstruktive Charakter nicht schon 1985 bzw. 1988, sondern erstmals am 23.09.1996 nachgewiesen. Seit diesem Zeitpunkt sei eine MdE von 20 v.H. anzunehmen. Bezüglich der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 15 bis 19 der Gerichtsakten verwiesen.
Nachdem die Beklagte sich durch Prof. Dr. R kritisch zu den Ausführungen des Prof. Dr. S geäußert hatte, hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme von dem Sachverständigen eingeholt. Dieser sah sich jedoch nicht veranlaßt, von seiner bisherigen Auffassung abzuweichen.
Nach Vorlage einer erneuten kritischen Stellungnahme des Prof. Dr. R ist Dr. ... Z mit der Erstellung eines weiteren pulmologischen Gutachtens nach Aktenlage beauftragt worden. Dr. ... Z konnte bei dem Kläger nach Auswertung der vorhandenen medizinischen Befunde und Untersuchungen ebenfalls kein Lungenemphysem, sondern lediglich eine chronische obstruktive Bronchitis feststellen. Unter Berücksichtigung der Befunde aus 1985 und 1988 habe der Kläger bereits am 08.11.1985 unter einer chronischen obstruktiven Bronchitis gelitten.
Bezüglich der Einzelheiten des Gutachtens von Dr. ......