Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigungsfiktion eines vom Versicherten gestellten Leistungsantrags bei nicht rechtzeitiger Bescheidung durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 5 SGB 5 setzt u. a. voraus, dass sich der Antrag des Versicherten in Verbindung mit den maßgeblichen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lässt.
2. Der Versicherte muss die bei der Krankenkasse beantragte Leistung für erforderlich halten dürfen. Postbariatrische Wiederherstellungsoperationen in der Form eines zirkulären unteren Bodylifts bzw. einer Bruststraffung mit Implantaten gehören hierzu.
3. Der Antrag gilt als genehmigt, wenn die Krankenkasse diesen nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a SGB 5 genehmigt.
4. Die fingierte Genehmigung verschafft dem Versicherten sowohl einen Sachleistungs- als auch einen Kostenerstattungsanspruch.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 verurteilt, der Klägerin die Durchführung von zwei postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen in Form eines zirkulären unteren Bodylifts sowie einer Bruststraffung mit Implantaten beidseits als Sachleistung zu gewähren.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von zwei postbariatrischen Wiederherstellungsoperation in der Form eines zirkulären unteren Bodylifts und einer Bruststraffung mit Implantaten beidseits als Sachleistung.
Bei der 1989 geborenen und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Klägerin wurde im Jahr 2012 eine Magenoperation durchgeführt. Ihr damaliges Körpergewicht betrug 130 kg.
Mit Schreiben vom 20.07.2015, das der Beklagten am 23.07.2015 zuging, beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für postbariatrische Operationen unter Bezugnahme auf die beigefügten ärztlichen Bescheinigungen von Frau Dr. T, Fachärztin für Allgemeinmedizin, sowie der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des St. N E. Frau Dr. T schilderte mit Bescheinigung vom 16.07.2015, dass die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer seit der Kindheit bestehenden Gewichtsprobleme nach der Operation sowie durch eine Lebensumstellung, Sport und bewusste Ernährung einen Gewichtsverlust um 53 kg binnen sechs Monaten erreichen konnte. Seit zwei Jahren betrage ihr konstantes Gewicht 77 kg bei einer Körpergröße von 1,77 m. Durch den Gewichtsverlust sei ein Hautüberschuss von 20 cm entstanden. In den Hautfalten im Bereich des Bauches, der Achseln, unter der hängenden Brust, der Leisten und der Oberschenkel komme es ständig zu Infektionen. Im Bereich des Abdomens, des Gesäßes und der Oberschenkel sei eine Entwicklung von Ekzemen zu beobachten. Eine chirurgische Korrektur sei daher empfehlenswert. Mit ärztlicher Bescheinigung vom 10.06.2015 empfahlen die behandelnden Ärzte des St. N E ein zirkuläres unteres Bodylift sowie eine Bruststraffung mit Implantaten. Im Bereich des Ober- und Unterbauches sei es zu einer Faltenbildung mit Fettschürzenüberhang von 2 cm im Umschlagsfaltenbereich gekommen. Es bestehe ein lateraler Hautüberschuss von 20 cm. Es sei eine Hyperpigmentierung, ohne Mazerationen oder Ekzeme, festzustellen. Es liege eine eingeschränkte Hüftbeugung bei Hautfaltenduplikatur vor. Es bestehe eine Indikation für die empfohlenen Operationen wegen einer ausgeprägten statisch-muskulären Dysbalance des Rumpfes.
Dadurch komme es zu einer permanenten Fehlbelastung des Achsenorgans, welche unbehandelt zu einer altersvorauseilenden Minderung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit führe. Adäquate konservative Therapien stünden nicht zur Verfügung und würden sich sogar kontraproduktiv auswirken. Es liege im Ergebnis eine behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne der GKV vor.
Mit Schreiben vom 30.07.2015 forderte die Beklagte die Klägerin zur Übersendung eines Berichts ihres Dermatologen, einer Schilderung ihrer Selbstmaßnahmen bezüglich der Hautprobleme sowie einer persönlichen Stellungnahme zu den körperlichen Beschwerden mitsamt einer Fotodokumentation für eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) auf. Am 24.08.2015 übersandte die Mutter der Klägerin eine Fotodokumentation als E-Mail-Anhang. Ebenfalls noch am 24.08.2015 beauftragte die Beklagte den MDK mit der Begutachtung. In einer E-Mail an die Mutter der Klägerin vom 16.09.2015 teilte sie mit, dass ein Untersuchungstermin beim MDK am 24.09.2015 vorgesehen sei. Mit Gutachten vom 28.09.2015 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die deutlich erschlafften Hautareale im Bereich von Bauch und Brust keinen Krankheitswert aufweisen würden. Hinsichtlich der Brust seien beidseits Drüsenkörper tastbar, so dass ein krankhafter Befund im Sinne der GKV nicht bestehe. Die überschüssige Haut im Bauchbereich könne mit Unterwäsche komplett umschlossen werden, so dass eine Entstellung nicht vorliege. Therapiefraktäre Hautveränderungen oder Funktionshi...