Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Auslegung der DKR 2013. zum Begriff der Veranlassung als Teil der Definition der Hauptdiagnose. Zeitmoment

 

Leitsatz (amtlich)

Bei dem Begriff "Veranlassung", der Teil der Definition der Hauptdiagnose ist, kommt es nicht auf eine Veranlassung im Sinne einer monokausalen Verantwortlichkeit im Zeitpunkt der Aufnahme an. Es ist auf das wesentliche Gepräge des gesamten Aufenthaltes abzustellen. Das Zeitmoment erfordert, dass das Symptom oder die diesem zugrunde liegende Krankheit, die den Aufenthalt in der Gesamtheit erforderlich machte, im Zeitpunkt der Aufnahme behandlungsbedürftig ist. Alleine auf den Grund der Aufnahme oder die Gründe, warum ein Versicherter sich in die Notaufnahme begeben hat, kann es nicht ankommen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 37.397,39 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Teilrückzahlung einer von ihr vergüteten stationären Krankenbehandlung des bei ihr gesetzlich krankenversicherten S I (im Folgenden Versicherter), geboren am XX.XX.XXXX, im evangelischen Krankenhaus in Unna in Höhe von 37.397,39 EUR.

Die Beklagte ist zur stationären Krankenhausbehandlung gesetzlich krankenversicherter zugelassen. Sie behandelte den an schweren Vorerkrankungen (COPD, arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz) leidenden Versicherten in der Zeit vom 18.11.2013 bis zum 24.12.2013 stationär. Der Versicherte kam mit Schmerzen im Bereich der linken Beckenseite in die zentrale Notaufnahme. Bei der Aufnahme gab er an, dass er letzte Woche ausgerutscht und auf das Gesäß gefallen sei. Er habe seitdem Schmerzen im Rücken- und Beckenbereich. Zudem habe er seit fünf Tagen nicht abgeführt. Der Versicherte wurde sodann bei Verdacht auf eine Beckenringfraktur links nach röntgenologischer Untersuchung zur weiteren Diagnostik und Schmerztherapie aufgenommen. Dem Versicherten wurde Blut abgenommen und abführende Maßnahmen eingeleitet. Die Blutentnahme ergab unter anderem einen CRP-Wert von 7,39 mg/dl. Im weiteren Verlauf wurde bei anhaltenden abdominellen Beschwerden am 25.11.2013 eine computertomographische Diagnostik zum Ausschluss eines stenosierenden Prozesses mit Nachweis einer Sigmadivertikulitis durchgeführt. Darüber hinaus ergab sich radiologisch der Verdacht eines Malignoms im Bereich des distalen Colon descendens sowie der Nachweis eines ausgeprägten infrarenalen Aortenaneurysmas sowie mehrerer Aneurysmata der Iliakalgefäße beidseits. Am 27.11.2013 wurde der Versicherte von der Klinik für Gefäßchirurgie übernommen. Am 29.11.2013 erfolgte die endovaskuläre Ausscheidung des Aneurysmas mit Überstentung der Arteria iliaca interna beidseits mit postoperativ komplikationslosen Verlauf und primärer Wundheilung. Am 05.12.2013 wurde der Versicherte in die Allgemeinchirurgie zur weiteren Therapie des Sigmabefundes verlegt. Am 06.12.2013 wurde eine Laparotomie unter Anlage einer doppelläufigen Transversostomie im Bereich des rechten Mittelbauches als Minimaleingriff bei deutlich eingeschränkter respiratorischer Funktion und schlechtem Allgemeinzustand bei makroskopischen Veränderungen durchgeführt.

Die Beklagte stellte der Klägerin unter Zugrundelegung der DRG G36Z (Intensivmedizinische Komplexbehandlung ≫ 1176 / 1104 Aufwandspunkte oder hochaufwändiges Implantat bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane), der unter anderem die Hauptdiagnose K57.32 (Divertikulitis des Dickdarmes ohne Perforation, Abszess oder Angabe einer Blutung) zugrunde liegt, mit Rechnung vom 27.12.2013 einen Betrag in Höhe von 45.405,65 EUR in Rechnung. Die Klägerin beglich die Rechnung und leitete sodann ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser kam mit Stellungnahme vom 09.09.2014 zu dem Ergebnis, dass der Aufenthalt über die DRG J08B (Andere Hauttransplantation oder Debridement ohne komplexe Prozedur, mit bestimmtem Eingriff an Haut, Unterhaut und Mamma, mit äußerst schweren CC) abzurechnen sei. Es sei die Hauptdiagnose S30.0 (Prellung der Lumbosakralgegend und des Beckens) zu kodieren. Diese Diagnose sei laut der Deutschen Kodierrichtlinie 2013 (DKR) Hauptdiagnose, da diese der Aufnahmegrund gewesen sei.

Mit Schreiben vom 09.10.2014 widersprach die Beklagte dem Ergebnis des MDK. Es sei am Aufnahmetag bekannt gewesen, dass der Versicherte seit fünf Tagen keinen Stuhlgang mehr gehabt habe. Es seien intensive abführende Maßnahmen eingeleitet worden. Bei dem multimorbiden Patienten dürften die ileusbedingten Flüssigkeitsverschiebungen und metabolischen Veränderungen bei dem Sturz als zumindest mit beteiligte Ursache angesehen werden. Zudem seien die sturzbedingten Schmerzen gut eingestellt gewesen. Daher hätte nach radiologischem Ausschluss einer Fraktur diesbezüglich einer ambulanten Behandlung nichts im Wege gestanden. Eine Entlassung wäre am Morgen des Nachfolgetages möglich gewesen. Die Klägerin beauftragte den MDK erneut, der mit Stellungn...

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