Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Hauptdiagnose zur DRG-Bestimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Als Hauptdiagnose zur DRG-Bestimmung kommt jede stationär behandlungsbedürftige Erkrankung in Betracht, die im Zeitpunkt der Aufnahme in der Person des Versicherten in das Krankenhaus vorliegt. Es kommt nicht darauf an, ob sie bereits bekannt oder ärztlicherseits diagnostiziert war.
2. Kommen insofern mehrere Diagnosen als Hauptdiagnose in Betracht, ist diejenige auszuwählen, die für die durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht überwiegend ursächlich war und die insoweit dem Aufenthalt bei einer Gesamtbetrachtung das wesentliche Gepräge verliehen hat.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.862,83 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 22.06.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin behandelte in dem von ihr betriebenen Medizinischen Zentrum A. die bei der Beklagten krankenversicherte und im Zeitpunkt der Aufnahme 84 Jahre alte D. (im Folgenden nur: Versicherte) in der Zeit vom 15. August bis 28. September 2015 im Rahmen eines stationären Aufenthalts. Mit Datum vom 4. November 2015 stellte sie der Beklagten für diese Behandlung auf der Basis der DRG G02B einen Gesamtbetrag von 15.683,71 EUR in Rechnung. Die Beklagte glich den Rechnungsbetrag zunächst aus, verrechnete aber am 21. Mai 2016 einen Teilbetrag in Höhe der hiesigen Klageforderung mit einer anderen Vergütungsforderung der Klägerin. Dies basierte auf der Einschätzung des von der Beklagten beauftragten MDK, dass für die Ermittlung der abzurechnenden DRG anstelle der von der Klägerin verschlüsselten Hauptdiagnose C18.6 ICD-10 bösartige Neubildung: Colon descedens die Hauptdiagnose I50.14 ICD-10 Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden in Ruhe hätte kodiert werden müssen.
Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2016, der am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, hat die Klägerin Klage erhoben und verfolgt ihr Vergütungsbegehren weiter. Zur Begründung führt sie aus, dass die die Aufnahme der Versicherten wegen zunehmenden Unwohlseins und Dyspnoe erfolgt sei. Wegen einer tastbaren Raumforderung im linken Unterbauch habe man eine Abdomensonographie sowie weitere diagnostische Maßnahmen vorgenommen; letztlich sei ein Tumor im Bereich des Colon descedens mit Leberfiliae festgestellt und operativ behandelt worden. Diese bösartige Neubildung habe bereits bei Aufnahme bestanden, nach der Analyse aus Perspektive bei Beendigung des stationären Aufenthaltes stelle sich diese Diagnose als diejenige dar, die den Aufenthalt maßgeblich beeinflusst habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.862,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Juni 2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich zunächst auf die gutachterliche Stellungnahme des MDK. Als Hauptdiagnose sei diejenige Diagnose zu kodieren, die den stationären Aufenthalt "veranlasst" habe. Hier sei die Versicherte wegen akuter behandlungsbedürftiger kardialer Dekompensation aufgenommen wurden. Die Tumorerkrankung habe die zur Aufnahme führende Symptomatik nicht bedingt, sie sei erst während des stationären Aufenthalts gesichert worden, könne also den stationären Aufenthalt nicht veranlasst haben.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet; die Klägerin dem Grunde nach nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Anspruch auf die geltend gemachte weitere Vergütung.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S.3 SGB V i. V. m. § 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG sowie der Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Nach Rechtsprechung des BSG in früheren Jahren entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1, BSGE 90, 1, 2 = SozR 3.2500 § 112 Nr. 3). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i. S. des § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird. Die Höhe der einem Krankenhaus zustehenden Vergütung wird durch die abzurechnende DRG (Fallpauschale) bestimmt, die wiederum von den zu kodierenden Diagnosen abhängig ist (zu den Einzelheiten s. BSG, SozR 4-2500 § 109 Nr. 11, sowie Urte...