Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Krankenversicherung. Leistungszuständigkeit für Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege in Werkstätten für Behinderte
Orientierungssatz
1. Zu den ergänzenden Leistungen, die der überörtliche Sozialhilfeträger im Zusammenhang mit Eingliederungshilfeleistungen in Werkstätten für behinderte Menschen durch die von ihm vertraglich in das Leistungssystem einbezogenen Einrichtungsträger flankierend bereit zu stellen hat, gehören im Einzelfall auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Der Anspruch auf begleitende medizinische Versorgung in einer Werkstatt für behinderte Menschen umfasst auch die ärztlich verordneten täglichen Insulininjektionen während des Aufenthalts in der Werkstatt.
2. Die Leistungspflicht der Krankenkassen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege beginnt erst dann, wenn der Pflegebedarf besonders hoch ist und damit die Vorhaltepflicht des Werkstattträgers und Leistungsverantwortung des Sozialhilfeträgers endet.
Tenor
I. Für die Dauer des Verfahrens über den Widerspruch der Antragstellerin vom 15.07.2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.07.2008 und eines dem sich eventuell anschließenden Klageverfahrens, wird
- bis zur Übernahme der Versorgung durch die Beigeladenen, längstens aber bis zum 07.09.2008 die Antragsgegnerin
- im Einvernehmen mit der Antragsgegnerin unverzüglich, spätestens aber ab dem 08.09.2008 der Beigeladene zu 1
verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Behandlungspflege in Gestalt von Insulininjektionen nach vertragsärztlicher Verordnung während des Aufenthalts der Antragstellerin in der Werkstatt für behinderte Menschen als Sachleistung zu erbringen.
II. Der Beigeladene zu 1 hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrt die bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin die weitere Erbringung von Behandlungspflegeleistungen in Gestalt von Insulininjektionen während ihres Aufenthalts in der Werkstatt für behinderte Menschen. Die Antragsgegnerin hat die weitere Erbringung der Sachleistung durch Bescheid vom 09.07.2008 für den Zeitraum ab dem 14.07.2008 abgelehnt. Die Injektionen seien im Rahmen der medizinischen Betreuung vom Personal der Werkstatt für behinderte Menschen zu erbringen. Hiergegen hat die Vertreterin der Antragstellerin mit Schreiben vom 15.07.2008 Widerspruch eingelegt; das Personal der Werkstatt für behinderte Menschen erbringe keine solchen Leistungen; weder die Antragstellerin selbst noch Angehörige könnten während des Aufenthalts in der Werkstatt für behinderte Menschen die Injektionen durchführen. Der zu 1 beigeladene überörtliche Träger der Sozialhilfe und der zu 2 beigeladene Träger der Werkstatt sind der Auffassung, Behandlungspflege sei nicht von den Eingliederungsleistungen in der Werkstatt für behinderte Menschen umfasst; dem stehe der Nachrang der Sozialhilfe für medizinische Leistungen entgegen. Auf den Antrag der Vertreterin der Antragstellerin um eine Entscheidung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes hin hat das Sozialgericht mit Zwischenverfügungen vom 18.07.2008 und vom 29.07.2008 die Antragsgegnerin zunächst befristet bis zum 15.08.2008 zur vorläufigen Weiterführung der Behandlungspflege als Sachleistung verpflichtet. Auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und der Akte des Antragsverfahrens mit den Stellungnahmen der Beteiligten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
II.
Das Ersuchen der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein materielles Recht zusteht, für das er einstweiligen Rechtsschutz beantragen kann, (Anordnungsanspruch) und dass wesentliche Nachteile drohen, die nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung der widerstreitenden Interessen ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache als unzumutbar erscheinen lassen (Anordnungsgrund).
Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis der Antragstellerin zum Beigeladenen zu 1 erfüllt. Der Antragstellerin steht gegenüber dem Beigeladenen zu 1 ein Anspruch auf Bereitstellung der Behandlungspflegeleistungen in Gestalt täglicher Insulininjektionen nach Maßgabe einer vertragsärztlichen Verordnung während des Aufenthalts in der vom Beigeladenen zu 2 betriebenen Werkstatt für behinderte Menschen zu.
Bei der Gewährung von Behandlungspflege während des Aufenthalts in der Werkstatt f...