Entscheidungsstichwort (Thema)
Haushaltsführerentschädigung bei Erwerbsersatzeinkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Nicht erwerbstätige Zeugen oder ehrenamtliche Richter, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen und zugleich Erwerbsersatzeinkommen (Arbeitslosenhilfe, Altersrente ua) beziehen, können gleichwohl einen Anspruch auf die zusätzliche Haushaltsführerentschädigung geltend machen (entgegen LSG Berlin, Beschluss vom 18.1.2001, L 9 SF 1/00 ERi).
2. Der Umfang der infolge einer Heranziehung als Zeuge oder als ehrenamtlicher Richter ausgefallenen Hausarbeit kann typisierend unter Zugrundelegung einer maximalen Einsatzzeit von 10 Stunden und einer Hausarbeitszeit von höchstens vier Stunden pro Tag (bei einem Zwei-Personen-Haushalt von Erwachsenen, ohne besondere Umstände wie Pflege von Angehörigen oder Betreuung von Kleinkindern) ermittelt werden.
Tatbestand
Der 59 Jahre alte Antragsteller (As) nahm am 14.06.2002 an der Sitzung der 17. Kammer des Sozialgerichts Dresden als ehrenamtlicher Richter aus Kreisen der Versicherten teil. Er ist seit 01.07.1999 arbeitslos und bezieht derzeit Arbeitslosenhilfe in Höhe eines Zahlbetrags von 0,30 €/Tag, da das Einkommen seiner in Vollzeit berufstätigen Ehefrau angerechnet wird.
Der As beantragte noch am 14.06.2002 die Festsetzung seiner Entschädigung unter Berücksichtigung seiner Haushaltsführung für mehrere Personen. Die Kostenbeamtin setzte die Entschädigung unter Zugrundelegung einer sieben Stunden dauernden Zeitversäumnis und der Fahrtkosten (öffentliche Verkehrsmittel) auf 28,20 € fest; eine “Haushaltsführer-Entschädigung" wurde nicht gewährt.
Am 11.09.2002 beantragte der As zur Niederschrift der Geschäftsstelle die richterliche Festsetzung seiner Entschädigung unter Berücksichtigung der Haushaltsführung. Er wies darauf hin, dass beim Arbeitsgericht D. die Haushaltsführer-Entschädigung in vergleichbaren Fällen gezahlt werde. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass Altersrentner die Haushaltsführer-Entschädigung erstattet erhielten, nicht aber Bezieher von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe.
Der Bezirksrevisor wurde gehört. Er teilte mit Verfügung vom 16.09.2002 mit, dass er die Sachbehandlung durch die Kostenbeamtin billige.
Entscheidungsgründe
Für die richterliche Festsetzung der Entschädigung des ehrenamtlichen Richters ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 EhRiEG das Sozialgericht Dresden und hier gemäß Abschnitt B des Geschäftsverteilungsplans A für das Jahr 2002 die 1. Kammer zuständig. Sie entscheidet ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 12 Abs. 3 EhRiEG).
Nach Überzeugung der Kammer hat der As Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 37,20 €, d.h. unter Berücksichtigung einer Haushaltsführer-Entschädigung in Höhe von 9 € für eine Stunde (nach § 1 der Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung vom 15.04.1996, BGBl. I S. 604). Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Nach § 2 Abs. 1 EhRiEG erhalten alle ehrenamtlichen Richter im Beitrittsgebiet eine Entschädigung von 3,60 € für jede Stunde ihres Zeitaufwands für die ehrenamtliche Tätigkeit. Diese Entschädigung erhöht sich gemäß § 2 Abs. 2 EhRiEG für diejenigen ehrenamtlichen Richter, die einen Verdienstausfall erleiden (Satz 1) oder die zwar nicht erwerbstätig sind, aber einen eigenen Haushalt für mehrere Personen (d.h. für sich selbst und mindestens für eine weitere Person) führen (Satz 4). Diese zwischenzeitlich geschlechtsneutral formulierte Vorschrift, die inhaltsgleich auch in § 2 Abs. 3 ZSEG enthalten ist, ersetzt die frühere “Hausfrauenentschädigung". Jene pauschale Begünstigung für Hausfrauen ist vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1978 vor allem deshalb als mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar bewertet worden, weil durch sie die Wertentscheidung des Art. 3 Abs. 2 GG - Gleichberechtigung von Männern und Frauen - verwirklicht werde (vgl. BVerfGE 48, 280, 285: “.. ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Art. 3 Abs. 2 GG, der rechtlichen Unterbewertung der Arbeit der Frau in Haushalt und Familie ein Ende zu setzen und ihr eine gerechte Berücksichtigung zu sichern"). Spätestens seit der Ergänzung des Art. 3 Abs. 2 GG um einen Satz 2 im Jahr 1994 (“Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin") muss dies entsprechend auch für eine vergleichbare Arbeit von Männern in Haushalt und Familie gelten.
Der As erfüllt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 4 EhRiEG. Wie seine Ehefrau durch ihre Unterschrift bestätigt hat und nach den Umständen auch sonst glaubhaft ist, geht er keiner anderweitigen Beschäftigung nach, sondern führt für sich und seine voll berufstätige Ehefrau alleine den Haushalt. Die Eheleute haben damit in eigener Verantwortung eine Rollenverteilung gewählt, welche die Rechtsordnung grundsätzlich respektiert (vgl. § 1356 Abs. 1 BGB) und die es dem As darüber hinaus ermöglicht, trotz seiner Langzeit-Arbeitslosigkeit mit mittlerweile minimalen Einkünften aus der Arbeitslosenhilfe ...