Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Berücksichtigung von Wartezeiten bei der Bewertung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Wartezeiten eines Rechtsanwalts vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung, die die in der Ladung mitgeteilte Uhrzeit um mehr als 15 Minuten überschreiten und die allein der Sphäre des Gerichts zuzurechnen sind, wirken sich bei der Bewertung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit erhöhend aus (Anschluss an LSG Schleswig vom 22.11.2016 - L 5 SF 91/15 B E = AnwBl 2017, 449).

 

Tenor

I. Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Festsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Dresden vom 23. November 2016 - S 20 AS 7587/13 - dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 577,15 € festgesetzt werden.

II. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung des im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalts.

Das Gericht ordnete den Erinnerungsführer dem Kläger für Verfahren S 27 AS 7587/13 (später: S 20 AS 7587/13) mit Beschluss vom 6. Juni 2014 im Prozesskostenhilfeverfahren bei. Streitgegenstand des Verfahrens war die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 13. Juli 2016 lud die Kammer die Verfahrensbeteiligten zur mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2016 um 11:15 Uhr. Die Verhandlung begann ausweislich der Sitzungsniederschrift um 12:03 Uhr und endete um 12:27 Uhr, nachdem der Rechtsstreit durch angenommenes Anerkenntnis erledigt worden war.

Mit Kostenerstattungsantrag vom 25. Oktober 2016 hat der Erinnerungsführer die Festsetzung und Erstattung von 742,56 € beantragt und dabei folgende Rechnung aufgemacht:

 Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

 250,00 €

380,00 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

Dokumentenpauschale für Kopien (Nr. 7002 VV RVG)

Anrechnung Beratungshilfe § 58 RVG

20,00 €

9,00 €

-35,00 €

--------------

Zwischensumme netto

624,00 €

19 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

118,56 €

--------------

Gesamtsumme

742,56 €

Mit Festsetzungsbeschluss vom 23. November 2016 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 493,85 € festgesetzt:

 Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

 250,00 €

180,00 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

Anrechnung Beratungshilfe § 58 RVG

20,00 €

-35,00 €

--------------

Zwischensumme netto

415,00 €

19 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

78,85 €

--------------

Gesamtsumme

493,85 €

Der Termin habe nur 64 % eines durchschnittlichen Termins gedauert, so dass für die Terminsgebühr ein entsprechender Anteil der Terminsmittelgebühr angemessen erscheine. Die Dokumentenpauschale könne nicht berücksichtigt werden, da die Dokumente vor der Beiordnung gefertigt worden seien.

Der Erinnerungsführer hat am 12. Dezember 2016 Erinnerung eingelegt und darauf hingewiesen, dass der Termin erst 48 min nach dem angesetzten Termin begonnen habe. Die Anmeldung der Terminsgebühr hat er auf 250 € reduziert.

Der Erinnerungsgegner hat unter Berufung auf die Rechtsprechung des SächsLSG die Auffassung vertreten dass die anteilige Kürzung der Terminsgebühr zu Recht erfolgt sei, da Wartezeiten vor dem Termin bei der Bemessung der Gebührenhöhe nicht zu berücksichtigen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist begründet. Der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23. November 2016 war entsprechend dem Tenor abzuändern.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen, wie hier, das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Beitragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [RVG]). Wird die Erstattung einer Rahmengebühr verlangt, so ist die vom Anwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmte Gebühr die gesetzliche Gebühr. Das Gericht hat aber zu prüfen, ob die Bestimmung unbillig und deshalb nicht verbindlich ist, § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG.

Die vom Erinnerungsführer nunmehr im Erinnerungsverfahren angesetzte Terminsgebühr ist nicht unbillig.

Bei der Bemessung der Terminsgebühr bestimmt der Rechtsanwalt innerhalb des einschlägigen Gebührenrahmens von 50 € bist 510 € die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Für den Umfang der Sache ist vorrangig auf die Dauer des Termins abzustellen. Das Sächsische Landessozialgericht stellt in ständiger Rechtsprechung auf eine durchschnittliche Terminsdauer von 30 bis 45 Minuten ab (Sächsisches Landessozialgericht, B...

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