Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Plausibilitätsprüfung. Bildung von Tages- und Quartalszeitprofilen in Arztpraxen mit angestellten Ärzten. Ausschlussfrist für den Erlass von Richtigstellungsbescheiden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tages- und Quartalszeitprofile für Plausibilitätsprüfungen in Arztpraxen mit angestellten Ärzten sind arztbezogen, nicht praxisbezogen, zu bilden. Dies gilt auch für Prüfzeiträume vor dem Inkrafttreten der Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen gemäß § 106d Abs 6 SGB V (Abrechnungsprüfungs-Richtlinien - AbrPrRL) vom 7.3.2018, soweit § 8 AbrPrRL nach § 22 Abs 3 AbrPrRL rückwirkend auf Verfahren anzuwenden ist, die am 31.12.2014 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen waren. § 8 Abs 3 der Richtlinien nach § 106a Abs 2 SGB V in der bis zum 31.3.2018 geltenden Fassung vom 1.7.2008, ist insoweit nicht anzuwenden.
2. Die Ausschlussfrist von zwei Jahren für den Erlass von Richtigstellungsbescheiden gemäß § 106d Abs 5 S 3 SGB V in der Fassung TSVG gilt nicht für Honorarrückforderungen, bei denen Ausgangsbescheid noch vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 11.5.2019 bekannt gegeben wurde und damit noch einer Ausschlussfrist von vier Jahren unterlag.
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klagen des Antragstellers vom 29.10.2019 gegen
1. den Bescheid des Plausibilitätsausschusses der Bezirksgeschäftsstelle Leipzig der Antragsgegnerin vom 07.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Antragsgegnerin vom 11.10.2019 über die Durchführung einer Plausibilitätsprüfung gemäß § 106d Absatz 2 SGB V bezüglich der unter der Lebenslangen Arztnummer des Antragstellers 3... in den Quartalen 1/2016 bis 1/2018 abgerechneten Leistungen - S 25 KA 179/19 -,
2. den Bescheid des Plausibilitätsausschusses der Bezirksgeschäftsstelle Leipzig der Antragsgegnerin vom 07.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Antragsgegnerin vom 11.10.2019 über die Durchführung einer Plausibilitätsprüfung gemäß § 106d Absatz 2 SGB V bezüglich der unter der Lebenslangen Arztnummer des angestellten Arztes S. H. 5... in den Quartalen 1/2016 bis 1/2018 abgerechneten Leistungen - S 25 KA 194/19 -
wird angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
III. Der Streitwert wird auf 116.704,47 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung vertragsärztlicher Honorare in Höhe von 466.817,88 EUR für die Quartale 1/2016 bis 1/2018 aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellungen.
Der Antragsteller nahm in diesem Zeitraum als Facharzt für Innere Medizin mit Vertragsarztsitz in B. an der hausärztlichen Versorgung teil. In der Praxis des Antragstellers waren in dieser Zeit fünf angestellte Ärzte, denen eine eigene Lebenslange Arztnummer (LANR) zugewiesen war, beschäftigt, unter anderem der angestellte Arzt S. H. in Vollzeit. Daneben war vom 01.02.2016 bis zum 31.01.2018 die Ärztin A. P. als Assistentin in Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin in Vollzeit tätig. Zu Beginn dieses Zeitraumes hatte die Ärztin bereits 12 der insgesamt 60 Monate Mindestweiterbildungszeit absolviert gehabt.
Wegen auffälliger Quartals- und Tageszeitprofile veranlasste die Kassenärztliche Vereinigung (Antragsgegnerin) Prüfungen der in den Quartalen 1/2016 bis 1/2018 erbrachten Leistungen.
Hinsichtlich der unter der LANR des Antragstellers 3... in den Quartalen 1/2016 bis 1/2018 abgerechneten Leistungen stellte die Antragsgegnerin fest, dass bedingt durch die hohe Fallzahl der Quartalszeitfonds durch die Abrechnung der Versicherten- und Chronikerpauschalen belastet werde. Die Hauptursache für die Überschreitung liege jedoch in der hohen Anzahl abgerechneter Leistungen der Psychosomatik (GOP 35100 und 35110) und der Schmerztherapie (GOP 30700, 30702 und 30708). Auffällig sei der Ansatz der GOP 01440 bei fast jedem Hausbesuchspatienten bis zum Quartal 3/2017 und die Häufigkeit dringender Besuche (GOP 01412 und 01415).
Der Antragsteller nahm hierzu dahin gehend Stellung, dass unter Berücksichtigung der Mitwirkung der Weiterbildungsassistentin mit einem Faktor von 0,5 die Tageszeitfonds nicht überschritten seien. Die Quartalszeitfonds seien für die gesamte Praxis anzusetzen, so dass ebenfalls keine Überschreitung vorliege. Hinsichtlich der Besuchsleistungen habe er inzwischen die Auffassung der Antragsgegnerin übernommen und sei zu einer Einigung bereit, obwohl die Aufgreifkriterien für die Prüfung nicht erfüllt seien.
Hinsichtlich der unter der LANR des angestellten Arztes S. H. 5... in den Quartalen 1/2016 bis 1/2018 abgerechneten Leistungen stellte die Antragsgegnerin fest, dass neben den mit der hohen Fallzahl verbundenen Versichertenpauschalen die zahlreichen Ansätze dringender Besuche (GOP 01412 und 01415), palliativmedizinischer Leistungen (GOP 03372) über lange Zeiträume, der Chronikerzuschläge (GOP 03220 und 03221) ohne ausreichende Feststellungen und zeitgebundener Gesprächsleistungen (GOP 03230, 35100 und 35110) der Erläuterung bedürfe.
Hierzu nahm der Antra...