Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlereigenschaft eines Filzgestalters
Orientierungssatz
1. Die Herstellung von Filzobjekten als Ergebnis textiler Gestaltung ist der bildenden Kunst im Sinne von § 2 Satz 1 KSVG zuzuordnen, wenn der Schwerpunkt der Berufsausübung durch eine eigene Gestaltqualität geprägt wird. Dies ist dann der Fall, wenn den gefilzten Objekten überwiegend ein hohes Maß an eigenschöpferischen Inhalten zukommt.
2. Für die Frage, ob eine handwerkliche Tätigkeit vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene in fachkundigen Kreisen als Künstler anerkannt und behandelt wird. Eine solche Anerkennung als Künstler in fachkundigen Kreisen ist nur dann erforderlich, wenn handwerkliche Tätigkeit ausnahmsweise als künstlerische Tätigkeit qualifiziert werden soll. Wenn feststeht, dass keine handwerkliche Tätigkeit vorliegt, ist eine Anerkennung als Künstlerin in fachkundigen Kreisen nicht erforderlich, Anschluss an BSG, Urteil vom 07. Juli 2005 - B 3 KR 37/04 R.
Tenor
I. Es wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2008 festgestellt, dass die Klägerin ab dem 24.08.2007 nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherungspflichtig ist.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem Künstler-sozialversicherungsgesetz (KSVG).
Die am 1978 geborene Klägerin absolvierte von September 1996 bis Juli 2000 ein Studium an der W. Hochschule, Fachbereich Angewandte Kunst, Studiengang Textilkunst. Am 19.07.2000 schloss sie nach bestandener Diplomprüfung das Studium als Diplomdesignerin (FH) ab. Das Thema ihrer Diplomarbeit lautete: “Das gefilzte Spiel - ein Angebot für den Grundschulbereich„. Die Klägerin stellt Objekte unterschiedlicher Art aus Filz her. Unter ihren Arbeiten befinden sich u. a. eine Tastwand für sehbehinderte und blinde Kinder (“Flächen für die Sinne„) und “Fenster-Filze„. Daneben filzt die Künstlerin auch Kleidungsstücke, die die Klägerin als tragbare Kunstobjekte bezeichnet und die nach ihrer Angabe bei Performances und Fotoaufnahmen zur Anwendung kommen (“Schneewittchens Versuchung„, “Kleine Seejungfer„, “Kleine MeerJungFrau„). Weiter stellt die Klägerin Kopfbedeckungen her, die sie Hutobjekte nennt. Darüber hinaus fertigt die Klägerin unterschiedlichste Objekte aus Filz (unter anderem Fingerpüppchen, Taschen, Schmuck, Filzgefäße und Tierfiguren). Neben der Gestaltung von Filzobjekten war die Klägerin seit ihrem Studium auch im pädagogischen Bereich tätig. So war sie im Rahmen von Honorarverträgen u. a. an der Jugendkunstschule M., an den Sozialpflegeschulen H. und dem Gymnasium C. tätig. Gegenstand der von ihr geleiteten Kurse war jeweils die Textilgestaltung. Schließlich veröffentlichte die Klägerin im Jahr 2008 das Buch “FilzSpiel, the felted play„ und erzielte hieraus seitdem ein entsprechendes Honorar (vgl. die Honorarabrechnungen vom 27.06.2008 und 30.09.2008, Bl. 44 und 51 der Gerichtsakte). Darüber hinaus erhält sie seit April 2009 auf der Grundlage eines Verlagsvertrages einen Vorschuss auf einen weiteren Text- und Bildband, dessen Veröffentlichung beabsichtigt ist in Höhe von insgesamt 5.000,00 €. Der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 26.08.2008 weist für die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 4.894,00 € und der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 22.07.2009 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 5.737,00 € aus.
Mit Bescheid vom 27.09.2001 stellte die Beklagte auf eine entsprechende Meldung der Klägerin die Versicherungspflicht nach § 1 KSVG in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung fest. Nachdem die Klägerin aufgrund der Geburt ihres Sohnes ihre freiberufliche Arbeit unterbrochen hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17.01.2006 das Ende der Versicherungspflicht nach § 1 KSVG zum 31.01.2006 fest.
Am 24.08.2007 ging bei der Beklagten die Meldung der Klägerin ein, dass sie erneut eine selbständige künstlerische Tätigkeit aufgenommen habe. In dem entsprechenden Fragebogen gab die Klägerin an, dass sie im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 3.950,00 € erzielen werde. Im Laufe des folgenden Verwaltungsverfahrens legte die Klägerin zahlreiche Unterlagen vor, die sich auf ihre gestalterische und pädagogische Arbeit beziehen (Verträge, Rechnungen für verkaufte Filzobjekte und Zeitungsartikel).
Mit Bescheid vom 29.10.2007 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege, da ihre Tätigkeit nicht als künstlerisch/publizistisch im Sinne des KSVG angesehen werden könne. Wer Textilien als Einzelstücke oder in Kleinserie nach eigenen Entwürfen selbst schneidere oder in anderer Weise herstelle, gehöre aufgrund seines durch handwerkliche Arbeiten geprägten Tätigkeitsprofils nicht zum Personenkreis der Designer. Dies gelte insbesondere dann, wenn die hergestellten Textilien mit vergleichbaren Produkten indus...