Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. kein Leistungsausschluss bei Ausbildung eines behinderten Menschen im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme und Ausbildungsgeldbezug
Orientierungssatz
Der Bezug von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 97ff SGB 3 steht der Leistungsberechtigung nach § 7 SGB 2 auch dann nicht entgegen, wenn der behinderte Mensch im Rahmen der Rehabilitation eine Erstausbildung absolviert.
Tenor
I. Der Bescheid vom 10.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2010 wird dahingehend geändert, dass der Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin für den 30.08.2008 8,00 €, für die Zeit vom 01.09.2008 bis 31.01.2009 monatlich 248,00 €, für die Zeit vom 01.02.2009 bis 25.02.2009 206,00 € und für die Zeit vom 26. bis 28.02.2009 40,00 € zu zahlen.
II. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.
Tatbestand
Die Klägerin und das beklagte Jobcenter (im Folgenden: der Beklagte) streiten über Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 30.08.2008 - 28.02.2009.
Die 1985 geborene Klägerin wohnte in dem streitgegenständlichen Zeitraum in einem Wohnheim der … Schwestern in G. Für das möblierte, 9 m² große Zimmer bezahlte sie zunächst eine Grundmiete von 27,00 EUR, einen Betriebs- und Nebenkostenvorschuss von 58,50 EUR und einen Pauschalbetrag von 16,00 EUR, insgesamt 101,50 EUR. Seit dem 01.04.2008 zahlte sie insgesamt 120,00 EUR. In der Zeit vom 26.08.2008 - 25.08.2010 absolvierte sie wegen einer psychischen Erkrankung eine Rehabilitationsmaßnahme in deren Rahmen sie eine Erstausbildung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien machte. Aus diesem Grund hielt sie sich unter der Woche in D. auf, musste das Internat jedoch am Wochenende in den Schulferien und im Krankheitsfall verlassen.
Der Klägerin stand in dieser Zeit Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR, das von den Eltern an die Tochter weitergegeben wurde zur Verfügung. Seit dem 26.08.2007 bezog sie Ausbildungsgeld in Höhe von zunächst 93,00 EUR, seit dem 26.02.2009 in Höhe von 102,00 EUR monatlich.
Die Klägerin bezog seit 2006 fortlaufend Leistungen nach dem SGB II. Auf den Fortzahlungsantrag vom 02.10.2008 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2008 Leistungen in Form des Mehrbedarfs nach § 21 SGB II für die Zeit vom 30.08.2008 - 28.02.2009. Die Bewilligung von Leistungen in Form des Regelbedarfs und Kosten der Unterkunft hatte der Beklagte bereits seit dem 01.10.2007 mit der Begründung, die Klägerin sei von den Leistungen nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen, abgelehnt. Gegen den Bescheid vom 10.10.2008 erhob die Klägerin am 12.11.2008 Widerspruch, wobei sie geltend machte, dass ihr Leistungen nicht nur in Bezug auf den Mehrbedarf sondern auch die Regelleistung und die Kosten der Unterkunft zustünden.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 10.06.2010 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage ging am 15.07.2010 beim Sozialgericht Dresden ein.
Die Klägerin ist der Auffassung, nicht von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen zu sein. Ihre Ausbildung erfolge im Rahmen einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben über die Bildungsagentur für Arbeit. Dabei macht sie geltend, während der Zeiten, in denen sie sich nicht im Internat aufgehalten habe, habe sie keinerlei Verpflegungsleistungen durch das Berufsbildungswerk oder für die Unterkunft erhalten.
Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 10.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2010 der Klägerin für den Zeitraum vom 30.08.2008 bis 28.02.2009 Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Er hält an der bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest, der Klägerin stünden Leistungen nach dem SGB II nicht zu, da sie gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von den Leistungen ausgeschlossen sei. Der Ausschluss gelte auch dann, wenn der Antragsteller Leistungen nach den §§ 97 ff. SGB III beziehe.
Das Gericht hat die Leistungsakte mit dem Aktenzeichen … BG … beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte, die Gerichtsakte, die gewechselten Schriftsätze insgesamt und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2011 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 10.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2010, mit dem der Beklagte die Gewährung von Regelleistung und Kosten der Unterkunft nach dem SGB II abgelehnt hat und der Klägerin statt dessen nur den Mehrbedarf für behinderte Menschen nach § 21 Abs. 4 SGB II gewährt hat. Zu entscheiden ist damit über Ansprüche für die Zeit vom 30.8.2008 - 28.02.2009, da die Klägerin am 02.03.2009 einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt hat.
2. Der Bescheid vom 10.10.2008 ist rechtswidrig, denn die Klägerin war hilfebedürftig und nicht gemäß § 7 Abs. 5 SGB...