Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche. Verpflichtung zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen. keine Anwendbarkeit des § 41a SGB 2 auf vor dem 1.8.2016 beendete Bewilligungszeiträume. angemessene Fristsetzung. Unmöglichkeit der Vorlage der von einer anderen Person zu erbringenden Nachweise
Leitsatz (amtlich)
1. § 41a Abs 3 SGB II findet auf die Bewilligungszeiträume, die vor dem 1.8.2016 bereits beendet waren, keine Anwendung (Festhaltung an SG Dresden vom 11.1.2018 - S 52 AS 4077/17).
2. Die Länge der nach § 41a Abs 3 S 3 SGB II zu setzenden Frist bemisst sich nach den Einzelfallumständen. (Festhaltung an SG Dresden vom 11.1.2018 - S 52 AS 4382/17).
3. Ein Vorgehen nach § 41a Abs 3 S 2 bis 4 SGB II gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, um Nachweise über leistungserhebliche Tatsachen zu erlangen, die eigentlich nur eine andere Person (die leistungsberechtigte Person) geben kann, ist nicht möglich, wenn die Bedarfsgemeinschaft nicht mehr besteht.
4. Ist dem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft oder der leistungsberechtigten Person der Nachweis der geforderten leistungserheblichen Tatsachen unmöglich oder kann der Leistungsträger nach § 60 Abs 4 SGB II vorgehen, ist ein Vorgehen nach § 41a Abs 3 S 3 und 4 SGB II unzulässig.
Tenor
I. Die Bescheide des Beklagten vom 30.05.2017, 31.05.2017, 18.07.2017, 19.07.2017 und 20.07.2017, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2017, werden ohne Sachentscheidung aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Sachentscheidung über die endgültigen Leistungsansprüche der Klägerinnen vom Juni 2013 bis Juli 2015 an den Beklagten zurückverwiesen.
II. Der Beklagte hat den Klägerinnen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des endgültigen Leistungsanspruchs der Klägerinnen für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.11.2015 und insgesamt fünf Erstattungsbescheide des Beklagten über eine Gesamterstattungsforderung in Höhe 13.174,70 €.
Die 1973 geborene Klägerin zu 1) lebte mit H..., ihrem damaligen Partner, und der 2011 geborenen, gemeinsamen Tochter, der Klägerin zu 2), im streitbefangenen Zeitraum in A... Bei Antragstellung im April 2013 durch H... verfügte die Klägerin zu 1) über Barvermögen in Höhe von 2.271,09 €; weiteres Vermögen hatte sie nicht. H... und die Klägerin zu 2) waren vermögenslos. Der damalige Partner war selbständig tätig mit einem Bau- und Hausmeisterservice. Die Klägerin zu 1) bezog zunächst Landeserziehungsgeld (monatlich 150 € vom 17.05.2013 bis 16.10.2013 aus dem Bescheid vom 18.04.2013) und später auch Arbeitslosengeld. Für die Klägerin zu 2) wurde das gesetzliche Kindergeld bezogen. Neben den genannten Einkünften bezogen die Klägerinnen in Bedarfsgemeinschaft mit H... Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Mit Bescheid vom 23.05.2013 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.11.2013 vorläufig Leistungen in Höhe von 1.213,00 €, davon 487,00 € für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Beklagte rechnete das Kindergeld und ein bereinigtes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 4,00 € an. Der Bescheid enthielt folgenden Passus:
"Die endgültige Bewilligung erfolgt mit Vorlage folgender Unterlagen:
- Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und notwendigen Ausgaben der selbständigen Tätigkeit für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.11.2013,
- Fahrtenbuch für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.11.2013"
Am 24.10.2013 wurden abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit des H... beim Beklagten eingereicht. Behauptet wurden Betriebseinnahmen und mangels Ausgaben zugleich Gewinn in Höhe von 100 € für Juni, Juli und Oktober, in Höhe von 90 € für September, in Höhe von 110 € für August und keine Angaben für November. Belege wurden nicht vorgelegt.
Mit Bescheid vom 21.11.2013, geändert durch Bescheid vom 15.01.2014, geändert durch Bescheid vom 14.02.2014, wurden der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Arbeitslosengeld II bewilligt in Höhe von 1.217,00 € für Dezember 2013, in Höhe von 1.238,00 € für Januar 2014 und in Höhe von 609,78 € für den Zeitraum Februar bis Mai 2014. Ab Februar 2014 kam Arbeitslosengeld der Klägerin zu 1) zur Anrechnung (676,20 € Arbeitslosengeld abzüglich 30 € Versicherungspauschale und abzüglich 17,98 € Kfz-Haftpflichtversicherung). Zuvor war Arbeitslosengeld der Klägerin zu 1) in Höhe von 1.615,50 € einbehalten und an den Beklagten erstattet worden. Am 17.02.2014 wies die Klägerin zu 1 den Beklagten darauf hin, dass ihr 840,30 € Arbeitslosengeld gezahlt werden. Am 10. April 2014 wurden beim Beklagten endgültige Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit des H... für Oktober 2013 bis März 2014 eingereicht. Behauptet wurden Betriebseinnahmen und mangels Ausgaben zugleich Gewinn in Höhe 110 € monatlich. Belege wu...