Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Schwerhörigkeit. digitales Hörgerät. höherwertige Hörversorgung. Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Sind die engen persönlichen und versicherungsrechtlichen Eingangsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfüllt, richtet sich der Anspruch auf Kostenerstattung für eine benötigte Hörgeräteversorgung unabhängig von dem Anspruch gegen die Krankenkasse originär gegen den Rentenversicherungsträger.
2. Ausnahmsweise kann auch bei der Erbringung von Rehabilitationsleistungen das Auswahlermessen des Rentenversicherungsträgers "auf Null" reduziert sein.
Orientierungssatz
Zur Beschaffung eines digitalen Hörgerätes einer Finanzbuchhalterin, die durch den Gebrauch des Gerätes eine wesentliche Besserung der Einschränkungen ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit erfährt.
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 23.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.2.2006 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 16 SGB VI i.V.m. 33 Abs.8 Nr.4 SGB IX in Form einer Kostenerstattung für die Versorgung mit dem Hörgerät der Marke Phonak, Savia 211 dSZ beidseits, soweit die Kostenerstattung nicht auf der Grundlage der Bewilligung der Beigeladenen im Schreiben vom 22.7.2004 erfolgt, zu erbringen.
III. Die Beklagte wird verpflichtet, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kostenübernahme für eine digitale Hörgeräteversorgung beidseits.
Die am geborene Klägerin absolvierte nach einer Tätigkeit als Tierpflegerin und Verkäuferin in den Jahren 1986 bis 1994 in der Zeit von September 1994 bis Juni 1996 eine Berufsausbildung zur Staatlich geprüften kaufmännischen Assistentin. Von Dezember 1996 bis April 1999 war sie als Sachbearbeiterin tätig. Die Klägerin nahm in der Zeit vom 18.7.1998 bis zum 20.3.2000 an einer berufsbegleitenden Vorbereitung auf die Bilanzbuchhalterprüfung teil. Seit dem 1.5.1999 ist die Klägerin als Mitarbeiterin Buchführung in der Abteilung Finanzen in der V. GmbH tätig. Mit Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Dresden vom 14.2.2006 wurde der Klägerin wegen einer Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung und einer Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen ein Grad der Behinderung in Höhe von 50% bescheinigt.
Mit Schreiben vom 22.7.2004 bewilligte die Beigeladene der Klägerin mit formlosen Schreiben eine Kostenbeteiligung an einer zu beschaffenden Hörgeräteversorgung beidseits in Höhe von 1.244,00 € und lehnte eine weitergehende Kostenübernahme mit Verweis auf eine gesetzliche Pauschale ab.
Daraufhin beantragte die Klägerin am 25.8.2005 bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 16 Sozialgesetzbuch (SGB) VI i.V.m. 33 ff SGB IX.
Mit Bescheid vom 23.9.2005 lehnte die Beklagte die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe in Form einer Kostenübernahme für die Hörgeräteversorgung ab. Darin führt die Beklagte aus, dass die Klägerin zwar aus medizinischen Gründen auf das Tragen einer Hörhilfe angewiesen sei, eine Leistungspflicht der Rentenversicherung aber in Ermangelung eines berufsspezifischen Mehrbedarfs nicht bestehe, da ihre berufliche Tätigkeit nicht überwiegend besondere Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit stelle. Es handle sich um einen Hilfsmittelbedarf für jedwede Form einer Berufsausübung, für den allein die Krankenversicherung im Rahmen der Grundversorgung aufzukommen habe.
Der am 30.9.2005 erhobene Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 8.2.2006 zurückgewiesen. Darin führt die Beklagte erneut aus, dass die Versorgung mit Hörhilfen nicht zu den Leistungen der Rentenversicherungsträger gehöre, sondern zu der Grundversorgung durch die Krankenkassen nach §§ 27, 32 SGB V. Nur ganz ausnahmsweise komme eine Leistungspflicht der Rentenversicherung in Betracht, wenn über die Basisversorgung hinaus eine besondere Hilfsmittelausstattung erforderlich ist, um den speziellen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden, also wenn ein Hilfsmittel ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes benötigt wird. Die für die Krankenversicherung geltenden Festbetragsgrenzen dürften nicht automatisch zu einer Leistungspflicht der Rentenversicherungen führen. Eine über die erforderliche Basisversorgung hinausgehende Ausstattung mit einem höherwertigerem Hörgerät sei nach ärztlicher Prüfung zu verneinen. Die begehrte Hörhilfeversorgung diene nicht ausschließlich bei der Ausübung eines Berufes mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen, vielmehr gehörten Hintergrundgeräusche, Kunden-, Mitarbeiter- und Telefongespräche zu jeglicher Berufsausübung.
Mit der am 9.3.2006 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. In ihrer beruflichen Tätigkeit als Finanzbuchhalterin sei si...