Entscheidungsstichwort (Thema)
Hörgeräteversorgung. Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Musiklehrerin. spezifischer Nutzungsvorteil
Orientierungssatz
1. Eine Grundschullehrerin mit beidseitiger Innenohrschwerhörigkeit (30 dB im Tieftonbereich bis 60 dB im Hochtonbereich), die auch als Musiklehrerin tätig ist und logopädische Übungen durchzuführen hat, ist in besonderer Weise auf ihr Hörvermögen angewiesen.
2. Sie gehört damit zu dem berechtigten Personenkreis, bei welchem sich spezifische erhöhte Anforderungen an ein besonderes Hören ergeben, weshalb der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Übernahme des Mehraufwands für hochwertige, den Festbetrag übersteigende, Hörhilfen im Rahmen des § 33 Abs 8 Nr 4 SGB 9 zu erbringen hat.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2011 verurteilt, gegenüber der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Hörgeräteversorgung für zwei Hörgeräte Bernafon Veras 7 abzüglich der von der Beigeladenen zugesagten Kostenübernahme zu erbringen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, gegenüber der Klägerin als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Versorgung mit zwei Hörgeräten zu erbringen.
Die 1956 geborene Klägerin ist seit 1977 als Grundschullehrerin tätig. Seit 2000 unterrichtet sie an der Grundschule B. (mit einem Arbeitskräfteanteil in 2010 von 92,86 %). Die Klägerin war 2010/2011 Klassenleiterin einer 1. Klasse und unterrichtete Deutsch, Mathematik, Sachunterricht, Ethik, Musik und betreute den Schulgarten. Am 07.10.2010 beantragte sie bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe für Versicherte zur Finanzierung notwendiger Hörgeräte. Zur Begründung gab die Klägerin an, ihr Hörvermögen lasse stark nach, so dass sie Gespräche mit Kindern und Erwachsenen nur teilweise verstehe und oft nachfragen müsse oder Teile gar nicht aufnehme. Zu dem Antrag wird eine ärztliche Verordnung des Facharztes für HNO Dr. C. vom 30.09.2010 vorgelegt. Danach leidet die Klägerin insbesondere unter einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit von 30 dB im Tieftonbereich bis 60 dB im Hochtonbereich. Sie benötige eine hochwertige Hörgeräteversorgung mit Richtmikrofonen und Spracherkennung sowie Rauschunterdrückung beidseits.
Mit Bescheid vom 14.10.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin sei generell auf das Tragen einer Hörhilfe aus medizinischen Gründen angewiesen. Es handele sich um eine Versorgung des Grundbedarfs und somit um eine Krankenbehandlung im Sinne des Krankenversicherungsrechts. Eine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit sei nicht erkennbar. Umgebungsgeräusche am Arbeitsplatz stellten Anforderungen an das Hörvermögen dar, die auch im täglichen Leben sowie nahezu bei jeder Berufsausübung bestehen. In ihrem Widerspruch hiergegen führte die Klägerin aus, dass es für die Umsetzung ihrer Tätigkeit unumgänglich sei, kommunikationsfähig zu sein. Sie unterrichte große Teile Musik, spiele im Unterricht selbst Gitarre. Bei der Bewertung/Zensierung sei die Melodienrichtigkeit/Tonhöhe einzuschätzen. Im Alltag käme sie vielleicht mit einem Kassengerät aus. Ein Schreiben von D. Hörakustik vom 09.12.2010 wird nachgereicht. Danach wurden verschiedene Hörgeräte ausprobiert (Standard Bernafon Inizia 1, Siemens Pure 300, Hörex Varicom 7 und Hörex Varicom 9). Mit den Hörgeräten der Standardklasse könne die Klägerin im privaten Bereich gut hören. Im Schulalltag sei die Kommunikation jedoch in vielen Situationen schwierig, besonders im Musikunterricht könne die Klägerin die Tonhöhe und die Melodie schlecht hören. Mit dem Hörex Varicom 9 sei der Hörerfolg im Musikunterricht am besten. Aufgrund der Wirtschaftlichkeit habe man sich für das Gerät Varicom 7 entschieden, mit dem die Klägerin in allen für sie relevanten Situationen gut zurechtgekommen sei und einen guten Hörerfolg erzielt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf § 10 SGB VI, § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX als unbegründet zurück. Hilfsmittel seien nur dann Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn sie ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufs/zur Teilnahme an einer bestimmten Maßnahme benötigt werden. Die von der Klägerin geschilderten Anforderungen und die Tätigkeit als Grundschullehrerin unterschieden sich nicht von den im Berufsleben üblicherweise gegebenen Bedingungen. Der benötigte Hilfsmittelbedarf bestehe für jeden Bereich des täglichen Lebens sowie für jedwede Form der Berufsausübung. Es sei zu klären, ob die angemessene Versorgung mit Geräten zum Festbetrag, wie dies von den Krankenkassen sicherzustellen ist, gewährleistet werden kann.
Mit der am 04.04.2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren weiter. Zur Begründung führt die Klägerin aus, sie sei der einzige Musiklehrer der Grundschule. Auch im Ethiku...