Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattungsanspruch für ein selbst beschafftes Hörgerät
Orientierungssatz
1. Nach § 14 Abs. 2 SGB 9 verliert der materiell-rechtlich eigentlich zuständige Rehabilitationsträger im Außenverhältnis zum Versicherten seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald er den Antrag an einen anderen Rehabilitationsträger weiterleitet. Die danach begründete Zuständigkeit ist endgültig. Die Regelung dient dazu, im Interesse Behinderter durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken, (Vergleiche: BSG, Urteil vom 29. September 2009, B 8 SO 19/08 R.
2. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB 5 setzt u. a. voraus, dass der Versicherte den Beschaffungsweg eingehalten hat. Das ist bei dem Kauf eines Hörgerätes dann der Fall, wenn der Versicherte sich erst nach ablehnendem Bescheid das Hörgerät auf eigene Kosten beschafft hat (Vergleiche: BSG, Urteil vom 07. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R.
3. Die Festbetragsregelung für die Versorgung mit einem Hörgerät entbindet die Krankenkasse nicht von der Pflicht, im Rahmen ihrer Sachleistung Verantwortung für eine ausreichende Versorgung des Versicherten Sorge zu tragen.
4. Nach der Rechtsprechung des BSG hat der Versicherte Anspruch auf Versorgung mit dem Gerät, welches eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleistet. Die Krankenkasse muss sich ein etwaiges Fehlverhalten des Hörgeräteakustikers als Hilfsmittellieferant im Verhältnis zum Versicherten zurechnen lassen.
5. Der Umfang des Kostenerstattungsanspruchs richtet sich nach den tatsächlich angefallenen Kosten für das vom Versicherten beschaffte notwendige Hörgerät.
Tenor
Der Bescheid vom 09.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 4313,44 EUR zu zahlen.
Die Kosten werden der Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Eigenanteil für ein Hörgerät i.H.v. 4313,44 EUR zu zahlen.
Die am 29. 10. 1950 geborene Klägerin ist Lehrerin an einer Grundschule.
Am 12.01.2011 beantragte sie bei der Beigeladenen die Übernahme der Kosten für ein hochwertiges Hörgerät für ihren Beruf als Lehrerin. Sie sei auf ihr Hörgerät angewiesen, um in ihrem Beruf weiter arbeiten zu können. Es handelte sich um das erste Hörgerät der Klägerin.
Der medizinische Dienst der Beigeladenen hatte bereits im Dezember 2010 eine Prüfung vorgenommen. Das Beratungsblatt für den MDK enthielt bereits den Hinweis, dass das normale Hörgerät nicht ausreichen würde und die Frage, ob ein hochwertiges Hörgerät medizinisch notwendig sei. Aufgrund der bei der Klägerin bestehenden leicht- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit meinte der medizinische Dienst am 23. 12. 2010, Gründe für eine höherwertige Hörgeräteversorgung seien nicht erkennbar. Zudem fehlte damals noch der Anpassungsbericht. Mit Schreiben vom 24.01.2012 teilte die Beigeladene der Klägerin mit, dass die Entscheidung des Bundessozialgerichts für eine höherwertige Hörgeräteversorgung durch die Krankenkasse sich nur auf den Personenkreis der Schwerstschwerhörigen beziehe und auf die Klägerin, die eine leicht- bis mittelgradige Schwerhörigkeit habe, nicht anwendbar sei. Sie möge die im Rahmen der Festbetragsregelung zur Verfügung stehenden Hörgeräte testen.
Unter dem 24.01.2011 leitete die Beigeladene den Antrag an die Beklagte weiter. Sie vertrat die Auffassung, die Entscheidung des Bundessozialgerichts für eine höherwertige Hörgeräteversorgung durch die Krankenkasse beziehe sich nur auf den Personenkreis der Schwerstschwerhörigen. Die Klägerin leide hingegen lediglich unter einer leicht- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit.
Mit Bescheid vom 09.02.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine Hörgeräteversorgung ab. Die Klägerin sei angesichts der bestehenden Hörschädigung generell auf das Tragen einer Hörhilfe aus medizinischen Gründen angewiesen. Sie benötige das Hilfsmittel im privaten wie auch im beruflichen Lebensbereich. Bei der Versorgung dieses Grundbedarfes handele es sich um eine Krankenbehandlung im Sinne des Krankenversicherungsrechts. Eine den medizinischen Erfordernissen entsprechende zweckmäßige Ausstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung sei auch bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Lehrerin ausreichend. Arbeitsplatzbezogene berufstypische Anforderungen lägen nicht vor. Die Hörgeräte dienten vielmehr dem unmittelbaren Behinderungsausgleich.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23. Februar 2011 Widerspruch. Sie führte aus, sie käme im außerberuflichen Leben möglicherweise noch ohne Hörgerät zurecht, nicht aber in den nicht schallgedämpften Klassenräumen mit den hellen Kinderstimmen.
Mit Widerspruchbescheid vom 20.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Grundschullehrerin lägen keine speziellen beruflichen Anforderungen an das Hörvermögen vor, die eine Hörgeräteversorgung über die durch di...