Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Nichtanrechnung der im Verwaltungsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr im Rahmen der Kostenerstattung für ein Vorverfahren

 

Orientierungssatz

Im Rahmen der Kostenerstattung für ein Vorverfahren ist die für eine anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstandene Geschäftsgebühr nicht anzurechnen.

 

Tenor

1. Die Bescheide vom 05.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 werden abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger für die Widerspruchsverfahren W 1451/14 und W 1448/14 jeweils weitere 301,37 EUR und für das Widerspruchsverfahren W 1447/14 weitere 208,25 EUR zu zahlen.

2. Der Beklagte hat den Klägern deren notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger und das beklagte Jobcenter (im Folgenden: der Beklagte) streiten über die Höhe der Kostenerstattung nach einem abgeschlossenen Widerspruchsverfahren, § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X.

Die 1986 geborene Klägerin zu 1 und ihr 2005 geborener Sohn, der Kläger zu 2, leben in Heidenau. Sie beziehen fortlaufend Leistungen nach dem SGB II.

Mit Schreiben vom 26.11.2013 beantragten die zu diesem Zeitpunkt bereits anwaltlich vertretenen Kläger die Überprüfung der für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.10.2013 ergangenen Bescheide nach § 44 SGB X. Mit Bescheid vom 17.03.2013 lehnte der Beklagte eine Änderung der entsprechenden Bescheide ab. Hiergegen erhoben die Kläger am 15.04.2013 Widerspruch, wobei der Beklagte die Aktenzeichen W 1447/14, W 1448/14 und W 1451/14 vergab. Mit Bescheid vom 13.06.2014 half der Beklagte den Widersprüchen ab und erklärte sich bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.

Unter dem 26.06.2014 beantragten die Kläger die außergerichtlichen Kosten zu Aktenzeichen W 1451/14, W 1448/14 und W 1447/14 festzusetzen, wobei ausschließlich Anwaltskosten geltend gemacht wurden. In allen 3 Anträgen wurde die Gebühr nach Nummer 2302, 1008 VV RVG in Höhe von 390,00 Euro in Ansatz gebracht. Die Kläger machten einschließlich der Auslagenpauschale und der Mehrwertsteuer damit einen Kostenanspruch von jeweils 487,90 Euro geltend. Mit Bescheiden vom 05.09.2014 setzte der Beklagte die Kosten zu W 1451/14 und W 1448/14 auf jeweils 186,53 Euro fest. Dabei brachte er für die Gebühr nach Nummer 2302 VV RVG 224,25 Euro in Ansatz, zog hiervon jedoch 87,50 mit der Begründung ab, es handle sich um die Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren. Für das Verfahren W 1447/14 setzte er die Gebühr nach Nummer 2302 VV RVG mit 390,00 Euro an und brachte hiervon als Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren 175,00 Euro in Abzug. Unter Berücksichtigung der Pauschale nach Nummer 7002 VVRVG und der Umsatzsteuer setzte er die zu erstattenden Kosten auf 279,65 Euro fest.

Die gegen alle Bescheide erhobenen Widersprüche (W 3216/14, W 3217/14 und W 3218/14) wies der Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2014 zurück. Die Kläger haben zu jedem Kostenfestsetzungsverfahren am 13.07.2014 Klage erhoben. Die Verfahren wurden zunächst unter Aktenzeichen S 38 AS 6152/14, S 38 AS 6153/14 und S 38 AS 6154/14 geführt. Mit Beschluss vom 02.09.2015 hat das Gericht die Verfahren S 38 AS 6153/14 und S 38 AS 6154/14 zum führenden Verfahren S 38 AS 6152/14 verbunden.

Die Kläger machen geltend, die von ihrem Anwalt berechneten Gebühren seien angemessen. Der Beklagte habe einen Betrag von 175,00 EUR als Anrechnung der Befassung im Antragsverfahren (vgl. Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG) nicht in Abzug bringen dürfen. Bei den Gebühren sei zwischen Antrags- und Widerspruchsverfahren zu unterscheiden. Seit dem 01.08.2013 sei für das Antrags- und das Widerspruchsverfahren jeweils eine gesonderte Geschäftsgebühr in Ansatz zu bringen. Die Geschäftsgebühr aus dem Antragsverfahren werde hälftig bzw. maximal bis zu einem Betrag von 175,00 Euro auf die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens angerechnet. Der Beklagte könne sich jedoch nicht auf die Anrechnungsvorschrift berufen, denn aufgrund des jetzt geltenden § 15 RVG werde die Wirkung der Anrechnung sowohl im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten als auch gegenüber Dritten ausdrücklich geregelt. Insbesondere ergebe sich daraus, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich nicht auswirke. Nach § 15a Abs. 2 RVG könne sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt habe, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn einen Vollstreckungstitel bestehe oder bei den Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Da der Beklagte die Vergütung der Geschäftsgebühr aus dem Überprüfungsverfahren weder schulde noch gezahlt habe, könne er sich auch nicht auf die Anrechnungsvorschrift berufen.

Die Kläger beantragen:

1.

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 15.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 verurteilt, den Klägern weitere 208,25 EUR zu zahlen.

2.

Der Beklagte wird unter Änderun...

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