Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Anfechtungs- und Feststellungsklage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Berücksichtigung des Einkommens des Partners in der Bedarfsgemeinschaft zugunsten der nicht leiblichen Kinder ab 1.8.2006. Verfassungsmäßigkeit. Einbeziehung volljähriger Kinder bis zum 25. Lebensjahr in Bedarfsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Berücksichtigung des Einkommens des Stiefvaters eines volljährigen Hilfeempfängers nach § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 in der ab 1.8.2006 geltenden Fassung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.
Orientierungssatz
1. Auch wenn ein Bescheid an den Stiefvater als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft nach § 38 SGB 2 gerichtet wurde, ist die Anfechtungsklage des Stiefvaters gem § 54 Abs 1 SGG unzulässig, wenn der Stiefvater eigentlich keine Leistungen nach SGB 2 begehrt und sich nicht in seinen Rechten verletzt sieht, so dass bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. In diesem Fall ist auch kein Feststellungsbedürfnis nach § 55 Abs 1 SGG ersichtlich.
2. Es bestehen keine Bedenken, dass der Gesetzgeber auch volljährige Kinder in die Bedarfsgemeinschaft gem § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2 mit ihren Stiefeltern einbezogen hat.
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Kläger werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis 16.04.2007 an den Kläger zu 2.
Der am … 1984 geborene Kläger zu 2 beantragte bei der Beklagten am 10.05.2005 erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Er war bis 16.04.2007 arbeitslos und ohne Einkünfte und wohnt zusammen mit seiner Mutter, seiner Schwester und dem Ehemann seiner Mutter - das heißt seinem Stiefvater -, dem Kläger zu 1, in einer 64,3 m² großen Wohnung in Dresden. Die monatliche Nutzungsgebühr beträgt 356,87 € zuzüglich 71 € Betriebskosten- und 71 € Heiz- und Warmwasserkostenvorauszahlung, insgesamt also 498,87 € für die ganze Familie. Am 29.06.2005 schloss der Kläger zu 2 mit seiner Mutter und dem Kläger zu 1 einen Untermietvertrag über einen Raum in der elterlichen Wohnung zu einer Miete von 150 €.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger zu 2 ab Juli 2005 Leistungen, zuletzt mit Bescheid vom 15.12.2005 für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 monatlich 450,98 €.
Am 20.06.2006 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen. Er legte Verdienstbescheinigungen seiner Mutter und des Klägers zu 1 vor. Seine Mutter hatte im Mai 2006 in einer Gebäudereinigungsfirma ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 1.022,18 € erzielt und 779,77 € netto ausbezahlt bekommen. Der Kläger zu 1 hatte im Mai 2006 in einem Energieunternehmen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.508,64 € erzielt und 1.543,99 € netto ausbezahlt bekommen.
Mit Bescheid vom 13.07.2006 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers ab und begründete die Entscheidung mit § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in der ab 01.07.2006 geltenden Fassung. Der Kläger zu 2 gehöre nunmehr zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern.
Am 01.07.2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II für die ganze Familie. Sie legten Einkommensbescheinigungen der Ehefrau des Klägers zu 1 über Einkünfte in Höhe von 999,19 € brutto/765,12 € netto im Juni 2006, ausgezahlt im Folgemonat, des Klägers zu 1 über Einkünfte im Juli 2006 in Höhe von 2554 € brutto/1565,25 € netto im Juli 2006, ausgezahlt im laufenden Monat, und der Schwester des Klägers über 282 € brutto = netto ab September 2006, ausgezahlt im laufenden Monat, vor.
Der Kläger zu 1 hatte monatlich für eine Kfz-Haftpflichtversicherung 27,25 € zu entrichten.
Mit an den Kläger zu 1 gerichtetem Bescheid vom 28.09.2006 lehnte die Beklagte den Antrag wegen übersteigenden Einkommens ab. Der Kläger zu 1 erhob am 13.10.2006 Widerspruch. Die Beklagte holte Einkünfte über die laufenden Einkünfte des Klägers zu 1, seiner Ehefrau und der Schwester des Klägers zu 2 ein. Auf die Aufstellungen auf S. 122, 124 und 131 der von der Beklagten vorgelegten Akte wird insoweit Bezug genommen. Mit an den Kläger zu 1 gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 28.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Gesamtbedarf der Familie habe im 2. Halbjahr 2006 monatlich 1.653,95 € betragen. Dem stehe ein anrechenbares Einkommen der Familie von insgesamt monatlich zwischen 1.958,82 € und 2.298,73 € gegenüber.
Der Kläger zu 1 hat am 02.04.2007 Klage erhoben. Der Kläger zu 2 sei im streitgegenständlichen Zeitraum 21 bzw. 22 Jahre alt gewesen und habe eine abgeschlossene Berufsausbildung, allerdings bisher noch keine Arbeitsstelle gefunden. Weder der Kläger zu 1 noch die Mutter oder die Schwester des Klägers zu 2 seien bedürftig. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gebe es eine Unterhal...