Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Freibeträge beim Zusammentreffen von Erwerbseinkommen und steuerfreiem Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit
Orientierungssatz
1. Die Freibeträge nach § 11b Abs 2 S 1 SGB 2 und § 11b Abs 2 S 3 SGB 2 sind beim Zusammentreffen von Erwerbseinkommen und Einkommen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht zu kumulieren.
2. Unterschreitet das Einkommen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit den erhöhten Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 S 3 SGB 2 in Höhe von 175,00 €, ist dieser nur bis zur Höhe der Summe aus dem Erwerbstätigengrundfreibetrag nach § 11b Abs 2 S 1 SGB 2 in Höhe von 100,00 € und dem Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit, maximal in voller Höhe, abzusetzen.
3. Der Zusatzfreibetrag nach § 11b Abs 3 S 2 Nr 1 SGB 2 ist nur auf den Einkommensanteil anzuwenden, der den im jeweiligen Fall maßgeblichen erhöhten Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 S 3 SGB 2 übersteigt.
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 28. April 2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 30. August 2011 und vom 26. November 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2011 - W 3996/11 - sowie der Bescheid vom 25. Oktober 2011 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 26. November 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2011 - W 4714/11 - werden dahin geändert, dass den Klägerinnen für den Zeitraum Oktober 2011 bis Februar 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II monatlich in folgender Höhe gewährt werden:
für Oktober bis Dezember 2011
der Klägerin zu 1)
für den Lebensbedarf 197,52 €
und für die Kosten von Unterkunft und Heizung 198,00 €
der Klägerin zu 2)
für die Kosten von Unterkunft und Heizung 55,48 €
für Januar und Februar 2012
der Klägerin zu 1)
für den Lebensbedarf 207,94 €
und für die Kosten von Unterkunft und Heizung 198,00 €
der Klägerin zu 2)
für die Kosten von Unterkunft und Heizung 55,94 €
und im Februar 2012 für Schuldbedarf 30,00 €
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen trägt der Beklagte vier Zehntel.
4. Gegen dieses Urteil wird die Berufung zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Höhe der Freibeträge nach § 11b Abs. 2 und 3 SGB II beim Zusammentreffen von Einkommen aus einer Erwerbs- und einer ehrenamtlichen Tätigkeit zwischen Oktober 2011 und Februar 2012.
Die 1963 geborene erwerbsfähige Klägerin zu 1) ist die Mutter der minderjährigen Klägerin zu 2), die im Haushalt der Klägerin zu 1) wohnt. Beide erhalten vom Beklagten Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Die Kosten von Unterkunft und Heizung für beide Klägerinnen belaufen sich auf monatlich 396,00 €.
Die Klägerin zu 1) erzielt seit Oktober 2011 aus einer abhängigen Beschäftigung in der Firma “G. Werkstatt F.„ ein monatliches Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 400,00 €. Zudem war sie zur selben Zeit und bis zum 14. Februar 2012 ehrenamtlich in einem Projekt namens “N.m.H.„ tätig. Inhalt dieses Projektes war eine Alltagsbegleitung für allein lebende Senioren. Die Klägerin begleitete drei in ihrer Nähe lebende Senioren beim Einkaufen, bei Arztbesuchen, bei sonstigen Wegen und stand ihnen als sozialer Gesprächspartner zu Verfügung. Diese Tätigkeit hatte einen Umfang von 7 Stunden pro Woche. Vom Träger des Projektes, dem Verein “A. e.V.„, F., erhielt sie gegen Nachweis der wöchentlichen Begleitungsstunden eine “Aufwandsentschädigung„ in Höhe von 39,00 € monatlich, also von etwa 1,39 € pro Stunde. Das Projekt wurde vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz innerhalb des Themas “Lokales Kapital im ländlichen Raum„ finanziert. Nach Nummer 2 der dem Fördermittelbescheid vom 6. Dezember 2010 zugrunde liegenden Förderrichtlinie vom 28. April 2010, SächsABl. S. 692, werden außerhalb der sächsischen Großstädte Kleinvorhaben gefördert, die dazu dienen, Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind oder aus anderen Gründen am Rand der Gesellschaft stehen, für die ehrenamtliche Tätigkeit als Alltagsbegleiter zu gewinnen. Nach Nummer 5 der Richtlinie gehören Personalausgaben zu den förderfähigen Ausgaben, wobei den Teilnehmenden für 14 Stunden Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 19,50 € gewährt und der Aufwand für maximal 14 Stunden pro Woche entschädigt wird.
Die Klägerin zu 2) erhält monatlich Kindergeld in Höhe von 184,00 € und Unterhalt in Höhe von 180,00 €.
Mit Bescheid vom 28. April 2011 gewährte der Beklagte den Klägerinnen Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Juni bis November 2011. Mit angefochtenem Änderungsbescheid vom 30. August 2011 und angefochtenem Bescheid vom 25. Oktober 2011 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen für die Zeiträume vom 1. Oktober bis 30. November 2011 bzw. vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 419,80 €.
Hiergegen erhob die Klägerin ...