Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Kostenerstattung durch die Behörde trotz Erfolglosigkeit des Widerspruchs
Orientierungssatz
1. Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist nach § 35 Abs. 1 SGB 10 mit einer Begründung zu versehen. Aus dem Inhalt des Bescheides muss ersichtlich sein, welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe für die Entscheidung wesentlich waren.
2. Nach § 42 SGB 10 kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung einer Verfahrensvorschrift bzw. der Form oder der örtlichen Zuständigkeit zustandegekommen ist, wenn die Verletzung die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat.
3. Eine entsprechende Anwendung des § 63 Abs. 1 S. 2 SGB 10 hinsichtlich der Auferlegung der Kosten des Widerspruchsverfahrens auf die Fälle des § 42 SGB 10 ist ausgeschlossen.
4. § 42 SGB 10 greift nur dann nicht ein, wenn sich der Fehler auf die Entscheidung ausgewirkt hat. Das ist anzunehmen, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde ohne den Verfahrens- oder Formfehler anders entschieden hätte.
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostentragungspflicht in einem isolierten Vorverfahren nach § 63 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).
Die Beklagte bewilligte dem 1955 geborenen Kläger mit Bescheid vom 12.11.2018 Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 01.12.2018. Dem Bescheid waren die Anlagen "Berechnung der Rente", "Versicherungsverlauf", "Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte" und "Rente und Hinzuverdienst" beigefügt.
Nach Einlegung des Widerspruches durch den Kläger am 04.12.2018 (Posteingang) zeigte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte an. In der Widerspruchsbegründung vom 14.01.2019 verwies er auf die nicht ausreichende Begründung des Bescheides, da weder die Berechnung der Entgeltpunkte für die Beitragszeiten noch der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten, beides Kernbestandteile für die Berechnung der Rentenhöhe, nachvollzogen werden könnten.
Die Beklagte übermittelte daraufhin mit Schreiben vom 28.01.2019 die Übersichten zur Berechnung der Entgeltpunkte für die Beitragszeiten sowie zur Berechnung der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten.
Der Kläger erklärte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 08.02.2019, dass dem Widerspruch damit in vollem Umfang abgeholfen worden sei und bat um eine entsprechende Kostengrundentscheidung.
Den Antrag auf Erstattung der Kosten für das Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X wies die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2019 zurück. Die Begründung des Rentenbescheides genüge den Anforderungen des § 35 Abs. 1 SGB X, da die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen zugrunde liegenden Erwägungen dargestellt worden seien. Hieran änderte auch die Übermittlung der geforderten ergänzenden Anlagen nichts. Ein etwaiger Begründungsmangel sei dann jedenfalls aufgrund der nachträglichen Übermittlung der Anlagen geheilt.
Der Kläger hat gegen den Bescheid mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25.02.2019 Widerspruch eingelegt. Die Kostenerstattungspflicht ergebe sich bereits aus § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 17.04.2019 beim Sozialgericht Dresden Klage erhoben. Der begehrte Aufwendungsersatz bestehe bereits nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, da der erhobene Widerspruch, der sich inhaltlich gegen das Begründungsdefizit des angefochtenen Rentenbescheides gerichtet habe, mit Übersendung der geforderten Anlagen durch die Beklagte in der Sache erfolgreich gewesen sei. Der angefochtene Bescheid habe auch an einem Formmangel gelitten, da er dem Begründungserfordernis nach § 35 Abs. 1 SGB VI nicht Rechnung getragen habe. Ohne die Übersichten zur Berechnung der Entgeltpunkte für die einzelnen Beitragszeiten sowie zur Berechnung der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten könne die Berechnung der Entgeltpunkte im Ergebnis nicht nachvollzogen werden. Die Beklagte habe sich ihrer Pflicht zur Entscheidungsbegründung auch nicht durch den Hinweis auf die Möglichkeit zur Anforderung weitergehender Auskünfte zum Bescheid entledigt, da für den juristisch ungeschulten Laien ohne anwaltlichen Beistand gerade nicht aus sich heraus verständlich sei, welche weiteren Unterlagen zu einem vollständigen Verständnis des Rentenbescheids erforderlich sind.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2019 zu verpflichten, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Aus Sicht der Beklagten genügt der...