Entscheidungsstichwort (Thema)
Neugestaltete Bescheide über die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne die Übersichten zur Berechnung der Entgeltpunkte für einzelne Beitragszeiten sowie zur Berechnung der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten. kein Begründungsmangel iS des § 35 Abs 1 S 2 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
Fügt der Rentenversicherungsträger einem Rentenbescheid die Übersichten zur Berechnung der Entgeltpunkte für einzelne Beitragszeiten sowie zur Berechnung der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten nicht bei, liegt kein Begründungsmangel iS des § 35 Abs 1 S 2 SGB 10 vor.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20. August 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Die Beklagte bewilligte dem 1955 geborenen Kläger mit Bescheid vom 12.11.2018 Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 01.12.2018. Dem Bescheid waren die Anlagen "Berechnung der Rente", "Versicherungsverlauf", "Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte" und "Rente und Hinzuverdienst" beigefügt. Seit Anfang 2018 fügte die Beklagte den Bescheiden im Wege einer Neugestaltung und Vereinfachung die Anlagen über die Ermittlung der Persönlichen Entgeltpunkte wie im Fall des Klägers nicht mehr den Rentenbescheiden bei.
Gegen den Bescheid vom 12.11.2018 legte der Kläger am 04.12.2018 (Posteingang) Widerspruch ein. In der Widerspruchsbegründung vom 14.01.2019 führte er durch seinen Bevollmächtigten aus, der Bescheid genüge nicht den Begründungsanforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Weder könne ihm die Berechnung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten noch der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten, die Kernbestandteil für die Berechnung der Rentenhöhe seien, entnommen werden. Die Beklagte übermittelte daraufhin mit Schreiben vom 28.01.2019 die Übersichten zur Berechnung der Entgeltpunkte für die Beitragszeiten sowie zur Berechnung der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 08.02.2019, dass dem Widerspruch damit in vollem Umfang abgeholfen worden sei, und beantragte eine entsprechende Kostengrundentscheidung.
Den Antrag auf Erstattung der Kosten für das Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X wies die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2019 zurück. Die Begründung des Rentenbescheides genüge den Anforderungen des § 35 Abs. 1 SGB X, da die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen zugrundeliegenden Erwägungen dargestellt worden seien. Hieran ändere auch die Übermittlung der geforderten ergänzenden Anlagen nichts. Im Ergebnis bleibe es unverändert bei den Regelungen des angefochtenen Bescheides. Ein etwaiger Begründungsmangel sei jedenfalls aufgrund der nachträglichen Übermittlung der Anlagen geheilt. Der Kläger legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 25.02.2019 Widerspruch ein. Er führte aus, die Kostenerstattungspflicht ergebe sich bereits aus § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X i. V. m. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies auf den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31.03.2014 (L 29 AS 314/14 NZB, Juris), den sie sich zu eigen machte und führte aus, selbst wenn der Bescheid ursprünglich nicht mit der erforderlichen Begründung versehen gewesen sei, sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Verwaltung mit den Kosten für das Widerspruchsverfahren belastet werden solle, wenn offensichtlich sei, dass der allein gerügte Formfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe und die Sachentscheidung selbst richtig sei.
Mit seiner am 17.04.2019 beim Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Der Widerspruch, der sich inhaltlich gegen das Begründungsdefizit des angefochtenen Rentenbescheides gerichtet habe, sei mit Übersendung der geforderten Anlagen durch die Beklagte in der Sache erfolgreich gewesen. Der angefochtene Bescheid habe an einem Formmangel gelitten, da er dem Begründungserfordernis nach § 35 Abs. 1 SGB X nicht Rechnung getragen habe. Ohne die Übersichten zur Berechnung der Entgeltpunkte für die einzelnen Beitragszeiten sowie zur Berechnung der Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten könne die Berechnung der Entgeltpunkte im Ergebnis nicht nachvollzogen werden. Die Beklagte habe sich ihrer Pflicht zur Entscheidungsbegründung auch nicht durch den Hinweis auf die Möglichkeit zur Anforderung weitergehender Auskünfte zum Bescheid entledigt, da für den juristisch ungeschulten Laien ohne anwaltlichen Beistand gerade nicht aus sich heraus verständlich sei, welche weiteren Unterlag...