Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Minderung der Unterkunftskosten durch Betriebskostenrückzahlung. Nichtberücksichtigung der Gebühren für Breitbandkabelanschluss. Angemessenheitsprüfung. kein schlüssiges Konzept. Einpersonenhaushalt 2007 in Dresden. Ermittlung der Angemessenheitsgrenze anhand des qualifizierten Mietspiegels

 

Orientierungssatz

1. Eine Betriebskostengutschrift mindert auch dann in voller Höhe die Unterkunftskosten des Folgemonats nach Zufluss, wenn die Gutschrift nicht auf nach § 22 SGB 2 berücksichtigten Vorauszahlungen beruht oder dem Hilfeempfänger wegen Überschreitung der Angemessenheitsgrenze zuvor nicht die vollen tatsächlichen Aufwendungen für seine Unterkunft gewährt worden sind. Eine teleologische Reduktion des § 22 Abs 1 S 4 SGB 2 ist nicht angezeigt.

2. Kosten für einen Breitbandkabelanschluss sind auch dann nicht als Kosten der Unterkunft zu erstatten, wenn sie für den Hilfeempfänger nicht disponibel sind (entgegen BSG vom 19.2.2002 - B 4 AS 48/08 R = BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18).

3. Für einen Einpersonenhaushalt war 2007 in Dresden eine Bruttokaltmiete von 281,- € angemessen. Der Stadtratsbeschluss vom 24.2.2005, mit dem die Grenze bei 252,45 € angesetzt wurde, beruht nicht auf einem schlüssigen Konzept.

4. Demgegenüber kann der vorhandene qualifizierte Mietspiegel der Stadt Dresden nach den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG als valide Datengrundlage für eine Bestimmung der Angemessenheitsgrenze herangezogen werden.

5. Der arithmetische Mittelwert eines qualifizierten Mietspiegels ist als Nettokaltmietengrenze heranzuziehen, wenn durch die Wahl einer höheren Ausstattungsklasse sichergestellt ist, dass angemessener Wohnraum zu diesem Mietpreis angemietet werden kann.

 

Tenor

1. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.1.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.1.2009 wird aufgehoben, soweit die Aufhebungs- und Erstattungssumme den Betrag von 267,25 € übersteigt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

4. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, der auf der nachträglichen Anrechnung einer Betriebskostenrückerstattung beruht. Streitgegenständlich sind die Kosten der Unterkunft im September 2007.

Der alleinstehende, erwerbslose und erwerbsfähige Kläger bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Anrechenbares Vermögen ist nicht vorhanden. Er bewohnt seit Februar 2002 eine 49,38 m² große 2-Zimmer-Wohnung der Wohnungsgenossenschaft Glückauf. Der Wohnblock des Klägers umfasst nahezu 900 m² vermietete Wohnfläche. Das Objekt wird mit Fernwärme beheizt; auch die Warmwasserbereitung erfolgt zentral über die Fernwärmeheizung. Die Nutzer der Wohnungen sind verpflichtet, die Kosten für einen Breitbandkabelanschluss zu übernehmen, der über die Nebenkosten abgerechnet wird. Die Anbringung von Satellitenschüsseln für Fernsehempfang ist untersagt.

In dem hier interessierenden Leistungszeitraum vom 1.7.2007 bis 31.12.2007 wurden dem Kläger, der keine eigenen Einkünfte erzielte, mit Bewilligungsbescheid vom 5.6.2007 insgesamt Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 646,25 € bewilligt. Davon entfielen 299,25 € auf die Kosten der Unterkunft, die die Beklagte wie folgt in ihren Berechnungen berücksichtigt hatte: Grundmiete 195,75 €, Heizkosten 46,80 €, sonstige (kalte) Betriebskosten 56,70 €. Tatsächlich hatte der Kläger im September 2007 jedoch folgende Wohnkosten: Grundmiete 224,- €, Heizkostenvorauszahlung 63,- €, Vorauszahlung für kalte Betriebskosten und Wasser 54,- €; hierin enthalten die Kosten für den Breitbandkabelanschluss in Höhe von 5,86 €.

Der Kläger hatte ursprünglich seine gesamten Wohnkosten erstattet bekommen. Bereits am 29.8.2005 hatte die Beklagte jedoch den Kläger unter Hinweis auf die Obergrenzen für Unterkunftskosten nach dem Stadtratsbeschluss vom 24.2.2005 (Bruttokaltmiete 252,45 € und Heizkosten 46,80 € für einen Einpersonenhaushalt) aufgefordert, die Kosten seiner Unterkunft zu senken. Der Kläger hatte daraufhin, nachdem seine Bemühungen, die Miete zu verringern fehlgeschlagen waren, auf einen Umzug verzichtet und der Beklagten schriftlich bestätigt, dass er “die Mehrkosten für Unterkunft übernehmen werde„. Er erhielt seit dem 1.1.2006 daher nur noch Unterkunftskosten in der Höhe des Stadtratsbeschlusses.

Unter dem 23.11.2007 forderte die Beklagte den Kläger auf, seine Betriebskostenabrechnung für 2006 vorzulegen, die der Kläger daraufhin am 4.12.2007 einreichte. Aus dieser ergab sich eine Gutschrift in Höhe von 297,38 €, die mit der Augustmietzahlung des Klägers verrechnet worden war.

Mit dem hier streitbefangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.1.2008 hob die Beklagte die ursprüngliche Leistungsbewilligung für September 2007 teilweise in Höhe von 297,38 € auf und forderte den Kläger auf, die überzahlten Leistunge...

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