Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Sozialhilfe. (SGB 12): zum Vorliegen einer die Eilbedürftigkeit rechtfertigenden existenziellen Notlage im einstweiligen Anordnungsverfahren bei Hilfe zur Bedarfsdeckung durch Angehörige und drohendem Verlust der Unterkunft; Auswirkungen von schuldrechtlich eingeräumten, eigentümerähnlichen Befugnissen an einem Grundstück auf den Sozialhilfeanspruch; zur Vermutung der Bedarfsdeckung bei Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mit Angehörigen
Orientierungssatz
1. Allein der Umstand, dass ein Sozialhilfeempfänger Geld, das er zur Deckung seines notwendigen Lebensunterhalts von Verwandten erhält, zurückzahlen muss, rechtfertigt nicht die Annahme der Eilbedürftigkeit in einem auf Gewährung von Sozialleistungen gerichteten einstweiligen Anordnungsverfahren.
2. Ebenso liegt kein Anordnungsgrund vor, wenn der Verlust der Unterkunft durch Zwangsversteigerung zwar möglicherweise droht aber noch nicht unmittelbar bevorsteht.
3. Eine bloß schuldrechtlich eingeräumte Rechtsstellung an einem Grundstück rechtfertigt einen Leistungsausschluss nach § 41 Abs. 2 SGB 12 (a.F.) in Verbindung mit § 90 SGB 12 wegen Vermögens in Gestalt von Grundeigentum auch dann nicht, wenn sie dem Berechtigten eigentümerähnliche Befugnisse vermittelt.
4. Steht dem Hilfebedürftigen aus einem schuldrechtlichem Vertrag der Nießbrauch an einem Hausgrundstück zu und hat er aufgrund dessen die Hauslasten zu tragen, so stellt der auf seinen Wohnbedarf entfallende Anteil dieser Kosten seinen Unterkunfts- und Heizungsbedarf dar. Zugleich sind ihm Einkünfte aus der Nutzung des Grundstücks als Einkommen anzurechnen. Aufwendungen für die Tilgung von Krediten für den Grundstückserwerb sind dabei nicht abzugsfähig. (Anschluss Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, Az: B 7b AS 8/06 R)
5. Für die Vermutung der Bedarfsdeckung bei Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne von § 36 SGB XII gelten unterhaltsrechtliche Maßstäbe. Die Vermutung einer Bedarfsdeckung ist dabei nur im Hinblick auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach Kapitel 3 des SGB 12 relevant. Auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter sind die Regelungen in § 36 SGB 12 nicht anwendbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Eilverfahren um Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen die Fragen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mit den Angehörigen des Antragstellers sowie die Rechtsverhältnisse in Bezug auf das Hausgrundstück L1.Busch 00 in M1 und deren Auswirkung auf einen möglichen Leistungsanspruch des Antragstellers.
Der am 00.00.1942 geborene Antragsteller ist seit dem 27.11.2000 unter anderem wegen Zuckerkrankheit mit Organkomplikationen schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie dem Nachteilsausgleich "erhebliche Gehbehinderung" (Merkzeichen "G"). Der hierüber ausgestellte Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes L2 vom 27.02.2004 weist ab dem 24.09.2003 wegen des Hinzutretens einer dialysepflichtigen Nierenfunktionseinschränkung eine Schwerbehinderung mit einem GdB 100 mit Merkzeichen "G" aus. Gegenwärtig muss sich der Antragsteller dreimal wöchentlich einer Dialysebehandlung unterziehen. Er ist seit langem mit seiner Ehefrau N1, geborene I1 (-00.00.1940), verheiratet. Mit ihr hat er zwei Söhne: I2 (- 1969) und D1 (- 1970).
Der Antragsteller und seine Ehefrau erwarben Ende der 1960er Jahre das Grundstück L1.Busch 00 in M1-P1 (Grundbuch von P1, Blatt 000, Gemarkung P, Flur 00, Flurstück 00) mit einer Grundfläche von 444 qm. Sie errichteten dort ein Wohngebäude, das nach ihren Angaben eine Wohnfläche von 223 qm hat. In diesem von ihnen teilweise mit Fremdmitteln finanzierten Haus wohnen sie seit deren Geburt mit ihren Söhnen und nutzen dabei (jedenfalls seit einiger Zeit) das komplette Erdgeschoss sowie einen Teil des Obergeschosses. Neben ihnen wohnten nach den Angaben des Antragstellers dort immer auch weitere Personen in den verbleibenden Räumen im Obergeschoss sowie dem Dachgeschoss.
Im Laufe des Jahres 1984 gerieten der Antragsteller und seine Ehefrau in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Zuge dessen wurde im August 1984 bzw. im November 1984 die Zwangsversteigerung des jeweils hälftigen Miteigentumsanteils des Antragstellers und seiner Ehefrau angeordnet. Im Rahmen dieser Zwangsversteigerung erwarb Herr I3 F A1 (- 1915), der Stiefvater des Antragstellers, im September 1986 durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts M1 das Hausgrundstück und wurde im Februar 1987 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. An der wohnlichen Situation des Antragstellers, seiner Ehefrau und der Söhne änderte sich hierdurch nichts. I3 A1wohnte zunächst noch in der U1.Straße 0 in M1-P. Später bezog er nach den Angaben des Antragstellers nach dem Auszug eines Mieters eine Wohneinheit im Haus L1...