Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Sexarbeiterin in einem Bordell. Ausübung der Tätigkeit im Rahmen eines weitreichenden und detaillierten Regelwerks. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Sexarbeiterinnen eines Bordells, die umfassende und detaillierte Regeln bei ihrer Arbeit verfolgen müssen, sind als abhängig Beschäftigte tätig und unterliegen somit der Sozialversicherungspflicht.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.11.2013 wird insoweit angeordnet, als mit ihm Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst darauf beruhenden Säumniszuschlägen für die Jahre 2005, 2006, 2007 und 2008 gefordert werden.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt 4/7, die Antragstellerin trägt 3/7 der Verfahrenskosten.
Der Streitwert wird auf 4.863.901,36 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid vom 15.11.2013 aufgrund einer Betriebsprüfung in der Zeit vom 25.07.2013 bis 20.08.2013 und den darin erfolgten Festsetzungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen. Der Prüfzeitraum erstreckt sich vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2011.
Der Bescheid basiert auf dem im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf unter dem Az.: 50 Js 139/12 festgestellten Sachverhalt. Die Feststellungen der Steuerfahndung E1 wurden der Antragsgegnerin zur sozialrechtlichen Auswertung übermittelt (Az. der Steuerfahndung E: 5181/2012/01351-1-579-22 50 Js 139/12).
In den Betriebsräumen der Antragstellerin in den Häusern Nr. 00, 00 und 00 in der Sstraße in E erbringen Frauen sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt für die dort verkehrenden Gäste.
Gesellschafter der Antragstellerin sind zu gleichen Teilen Herr U1 N und Herr C1 X. Als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin ist Frau J T1 seit dem 08.10.2010 im Handelsregister eingetragen.
Die Antragstellerin hält in den dortigen Gebäuden entsprechende sächliche Einrichtungen, wie z.B. einen Barbereich sowie u.a. unterschiedlich gestaltete sogenannte Themenzimmer vor, in denen die sexuellen Dienstleistungen erbracht wurden. Für den Servicebereich (z.B. Barbetrieb, Sicherheit, Zimmerreinigung) beschäftigte die Antragstellerin festangestellte Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen. Ferner existierte ein Escortservice mit Fahrdienst, wenn seitens eines Gastes sexuelle Dienstleistungen außerhalb der Betriebsstätten der Antragstellerin gewünscht wurden.
Der Antragsgegnerin wurden Aktenauszüge aus dem vorgenannten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sowie Unterlagen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung E1 übersandt. Neben dem steuerlichen Ermittlungsbericht vom 15.07.2013, geändert durch Bericht vom 29.07.2013, waren dies Vernehmungsprotokolle von Beschuldigten und Zeugen sowie von sichergestellten Asservaten.
Unter anderem fanden sich auf einer Festplatte gespeichert sogenannte "Goldenen Regeln des Hauses". Diese lauteten wie folgt:
Arbeitszeit: 20 Uhr bzw. 21 Uhr bis 6 Uhr morgens (Wochenende bis 6:30 Uhr)
Arbeitstage: nach Absprache, kein "Frei" in der Messezeit
Urlaub bitte früh genug anmelden.
Mindestens 2 Sonntage im Monat, Messesonntage zählen nicht dazu.
Wir kommen um 20 Uhr geschminkt und umgezogen zur Arbeit. Frauen die außerhalb von E wohnen, kommen um 21 Uhr.
Wer am Morgen länger arbeitet, spricht mit dem Personal die Anfangszeit für den nächsten Tag ab.
Mittwochs und Freitags ist Dessous Party. Bitte entsprechend kleiden.
Wir benutzen immer die Toilette in der 1. Etage, auch wenn kein Gast im Hause ist.
Ausstattung: Wir bitten um Profiausstattung!
Das bedeutet: Garderobe Außer Haus (Kostüm oder Hosenanzug)
Keine Jeans! Ein Kleid zum wechseln. Dessous, halterlose Strümpfe, Vibrator.
Bitte darauf achten, dass nicht alle Frauen in Schwarz -, weiß oder anderen Farben einheitlich gekleidet sind.
Arbeit in der Bar: Wenn es klingelt, müssen alle Frauen sofort in die Bar!
Dort wird für gute Laune und Bewegung gesorgt. Dem Gast wird Zeit gelassen, bis er sein 1. Getränk bekommen hat!
Unsere Gäste werden mit "Sie" angesprochen.
Alle Bestellungen von Getränken, Zimmer, Außer Haus Deal oder Limousinen Service, Bargeld, oder Kreditkarte bitte nur über das Personal abwickeln!
Wir akzeptieren: Diners, Visa, Euro Card, Master Card und Devisen.
Bitte niemals den Gast alleine im Haus herumlaufen lassen! Der Gast wird auch bis zur Toilette begleitet.
Neuen Gästen immer die Zimmer zeigen!
In der Bar nicht in Gruppen oder in der V.I.P Ecke sitzen.
Bitte unbedingt beachten: Kaugummi, Käse, Nüsse, Obstteller usw. nicht in der Bar essen!!!
Kauende Frauen sehen nicht besonders anziehend aus. Den Gast füttern!
Auf dem Zimmer: Den Gast bitte niemals alleine im Zimmer lassen! Falls Wünsche geäußert werden möchten (z.B. Verlängerung, Getränke, usw.) bitte das Haustelefon (Nr. 0) benutzen. Das Personal kommt sofort und...