Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechnung einer Erbschaft auf den Grundsicherungsbedarf. Aufteilung einer Einmalzahlung. Abzug von Tilgungen auf private Verbindlichkeiten bei der Einkommensanrechnung nach Einmalzahlung
Orientierungssatz
1. Eine Erbschaft ist bei der Ermittlung des Bedarfs im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende im Monat das Zuflusses als Einkommen anzurechnen. Dabei ist der durch die Erbschaft erhaltene Betrag regelmäßig auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen (hier: 24 Monate bei einer Erbschaft von 73.000 Euro). Dabei können Zahlungen auf private Verbindlichkeiten nicht einkommensmindernd angerechnet werden.
2. Wurde ein in einem Einmalbetrag gezahltes Einkommen durch den Grundsicherungsträger auf einen bestimmten Zeitraum aufgeteilt, so wird das so verteilte Einkommen im festgelegten Zeitraum auch dann auf den Bedarf angerechnet, wenn der Betrag durch den Grundsicherungsempfänger verbraucht wurde und damit tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: S 10 AS 3357/11) gegen den Versagungsbescheid des Antragsgegners vom 27.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.08.2011 wird festgestellt. Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 01.10.2011 bis zum 29.02.2012 vorläufig darlehensweise Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich 364,00 EUR Regelsatz zzgl. 328,00 EUR Kosten der Unterkunft zzgl. der Heizkosten zu bewilligen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Gründe
I. Der Antragsteller stand ab dem Jahr 2007 bei dem Antragsgegner im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Zuletzt wurden dem Antragsteller seitens des Antragsgegners mit Bescheid vom 04.12.2009 (Bl. 312 d. VA) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 30.06.2010 i.H.v. insgesamt 345,06 EUR bewilligt. Im Frühjahr des Jahres 2010 erbte der Antragsteller ein Hausgrundstück im Gesamtwert von 130.000,00 EUR (Vgl. Bl. 353 d. VA), welches zum Zeitpunkt des Erbfalls mit einer Grundschuld i.H.v. 60.000,00 EUR belastet war (vgl. Bl. 364 d. VA). Dieses Grundstück veräußerte der Antragsteller im Nachgang nach Abzug aller Verbindlichkeiten für einen Gesamterlös i.H.v. 72.350,39 EUR, welcher dem Girokonto des Antragstellers am 30.03.2010 gutgeschrieben wurde. Sodann wurde der Bescheid vom 04.12.2009 über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen mit Bescheid vom 24.03.2010 für die Zeit ab dem 01.04.2010 vollständig aufgehoben, da der Erlös aus dem Erbe als "Vermögen" in Anrechnung gebracht wurde.
In der Folgezeit verbrauchte der Antragsteller weitestgehend das erhaltene Geld, bis er am 09.03.2011 erneut einen Antrag auf Bewilligung von Grundsicherungsleistungen stellte.
Im Rahmen dieser Antragstellung wurde der Antragsteller vom Antragsgegner aufgefordert u.a. ungeschwärzte Kontoauszüge für gewisse Transaktionen (vgl. Bl. 453 d. VA) vorzulegen, um festzustellen, ob diese Überweisungen unabdingbar für die Bestreitung des Lebensunterhalts waren. Nachdem sich der Antragsteller unter Berufung auf datenschutzrechtliche Aspekte weigerte, die Kontoauszüge (ungeschwärzt) vorzulegen, versagte der Antragsgegner nach Hinweis auf die Rechtsfolgen die Leistungen mit Bescheid vom 27.04.2011. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob der Antragsteller vor dem erkennenden Gericht Klage unter dem Az.: S 10 AS 3357/11.
Nachdem auch in der Folgezeit seitens des Antragsgegners keine Leistungen gezahlt wurden, hat der Antragsteller vor dem erkennenden Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor, dass er nicht verpflichtet sei, die angeforderten Kontoauszüge vorzulegen. Im Übrigen sei das Geld mittlerweile - überwiegend zur Tilgung von Verbindlichkeiten - verbraucht.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in gesetzlicher Höhe zzgl. Kosten der Unterkunft i.H.v. 353,00 EUR zzgl. Heizkosten bis längstens zum 29.02.2012 zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass der Antragsteller seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachgekommen sei. Insbesondere habe der Antragsteller Verfügungen über die Erbsumme getätigt, welche eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers als zweifelhaft erscheinen lassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Der Antrag des Antragstellers ist - nach Auslegung desselben - zulässig.
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