Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers bei vorsätzlicher bzw. grob fahrlässiger Herbeiführung der Bedürftigkeit des Leistungsempfängers
Orientierungssatz
1. Nach § 34 Abs. 1 SGB 2 ist zum Ersatz verpflichtet, wer die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen des SGB 2 ohne wichtigen Grund vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt.
2. § 34 SGB 2 ist ein deliktähnlicher Ausnahmetatbestand für Sachverhalte, in denen ein innerer Zusammenhang zwischen der Herbeiführung der Bedürftigkeit und der Zahlung von Leistungen an den Hilfebedürftigen besteht.
3. Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 SGB 2 verpflichtet den nichtbedürftigen Bürger nicht dazu, sein Vermögen in einer Weise aufzuteilen, dass der Bezug von Sozialleistungen möglichst weit hinausgeschoben wird.
4. Nur dann, wenn der Betreffende das Geld deswegen ausgegeben hat, um Bedürftigkeit herbeizuführen, sind Leistungen des SGB 2 zu erstatten.
Tenor
Die Bescheide vom 26.09.2013 und 22.01.2015 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - um Ersatzansprüche der Beklagten.
Der Kläger ist 1977 geboren. Er leidet an einem Asperger-Syndrom. Im Jahre 2010 verkaufte der Kläger eine Eigentumswohnung zum Preis von 136.000,- EUR. Unter dem 05.04.2012 stellte er einen Erstantrag auf Leistungen nach dem SGB II und gab an nur noch über einen Restbetrag in Höhe von 4.000,- EUR zu verfügen. Weiter gab der Kläger an, er habe von den 136.000,- EUR, 40.000,- EUR für die Einrichtung seiner Mietwohnung verbraucht. Den Rest des Geldes habe er im Laufe der Zeit ausgegeben.
Mit Bescheid vom 26.09.2013 stellte die Beklagte eine Ersatzpflicht des Klägers nach § 34 SGB II mit der Begründung fest, der Kläger habe seine Bedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt, indem er das ihm zur Verfügung stehende Geld in übermäßiger Weise vermindert habe.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, er sei gesundheitlich nicht in der Lage mit Geld umzugehen.
Mit Bescheid vom 22.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück. Sie führte aus, der Kläger habe, selbst wenn man die 40.000,- EUR für die Wohnungseinrichtung abziehe, monatlich für seinen Lebensunterhalt durchschnittlich 3.550,- EUR verbraucht. Es sei abzusehen gewesen, dass bei diesem hohen Verbrauch auf kurz oder lang Bedürftigkeit eintreten würde. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, einen so hohen Lebensstandard zu pflegen. Er habe deswegen vorsätzlich oder mindestens grob fahrlässig seine Bedürftigkeit herbeigeführt, was die Ersatzpflicht nach § 34 SGB II zur Folge habe.
Hiergegen richtet sich die am 26.01.2105 bei Gericht eingegangene Klage.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26.09.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2015 wird festgestellt, dass die Feststellung der Ersatzpflicht des Klägers rechtswidrig ist.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerechte erhobene und daher zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn die Bescheide erweisen sich als rechtswidrig.
Das Gericht kann vorliegend durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) entscheiden, denn der Sachverhalt ist aufgeklärt und die der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsfragen sind einfacher Natur.
Die form- und fristgerechte und daher zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn die Bescheide erweisen sich als rechtswidrig.
Nach § 34 Abs. 1 SGB II ist zum Ersatz der verpflichtet, wer die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach SGB II ohne wichtigen Grund vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen in der Person des Klägers erkennbar nicht vor.
Es kann zunächst einmal dahin stehen, ob der angefochtene Bescheid nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil es sich lediglich um einen Feststellungsbescheid handelt, indem ein konkreter Ersatzanspruch nicht geltend gemacht wird. Darüber hinaus kann auch dahin stehen, ob die in der vorgenannten Vorschrift aufgeführte Vorsätzlichkeit oder grobe Fahrlässigkeit beim Kläger schon deswegen nicht vorliegt, weil dieser an einem Asperger-Syndrom leidet und deswegen gar nicht schuldhaft handeln konnte. Denn das dem Kläger von der Beklagten vorgeworfene Verhalten eines "luxuriösen Lebensstils" erfüllt die Voraussetzungen des § 34 SGB II in keiner denkbaren Konstellation. § 34 SGB II ist ein deliktähnlicher Ausnahmetatbestand für Sachverhalte, in denen ein innerer Zusammenhang zwischen der Herbeifü...