Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Kostenübernahme für eine Liposuktion. Fettabsaugung. des Versicherten durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Eine schmerzhafte Fettverteilungsstörung - Lipohypertrophie dolorosa - ist eine behandlungsbedürftige Krankheit, die einen Anspruch des Versicherten auf stationäre Krankenhausbehandlung nach §§ 11, 27 SGB 5 auslöst.

2. Die Frage der Notwendigkeit einer ambulanten bzw. stationären Liposuktion bemisst sich nach der Menge des abzusaugenden Fettgewebes und den damit zusammenhängenden spezifischen Komplikationsmöglichkeiten, z. B. einer Fettembolie.

3. Eine pro Sitzung erforderliche Aspirationsmenge von 6000 ml überschreitet die bei einem rein ambulanten Eingriff mögliche Aspirationsmenge von 2000 ml.

4. Stellt die Liposuktion die einzige Behandlungsmöglichkeit zur Entfernung des schmerzhaften Fettgewebes dar, so ist die Krankenkasse zur Übernahme der Kosten einer stationär durchgeführten Liposuktion verpflichtet.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.10.2020; Aktenzeichen B 1 KR 72/19 B)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016 verur-teilt, die Kosten einer stationären Liposuktion an Oberschenkel, Unterschenkel und Gesäß zu übernehmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Liposuktion an Oberschen-kel, Unterschenkel und Gesäßregion bei einer Lipohypertrophia dolorosa und Lipödem.

Bei der 1980 geborenen Klägerin besteht ein Zustand nach Gewichtsreduktion von 150 kg auf 93 kg nach der Durchführung einer Gastroplastik im Jahr 1999 sowie ein Zustand nach Fettschürzenoperation 2002 und einer Oberschenkelstraffung an den Innenseiten im Jahr 2002. Aktuell besteht eine Lipohypertrophia dolorosa Grad II - III sowie ein Lipö-dem bei einem BMI 36 (109 kg, 1,74 m).

Am 02.08.2014 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines Arztbriefes die Übernahme der Kosten für eine Liposuktion. Nach Anhörung des Medizinischen Dienstes der Kran-kenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28.08.2014 ab. Es bestehe kein Anspruch auf Durchführung einer Liposuktion. Vorliegend handele es sich um eine ästhetische Maßnahme beim Vorliegen einer Lipohypertrophie.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch unter Vorlage einer weiteren medizinischen Bescheinigung. Eine erneute Begutachtung durch den MDK erfolgte aufgrund einer Untersuchung der Klägerin. Anschließend wies der Widerspruchsaus-schuss den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2016 zurück. Bei einer Lipohypertrophie ohne Lipödem handele es sich um eine ästhetische Maßnahme, wenn auch möglicherweise eine Vorstufe zum Lipödem gegeben sei.

Die Klägerin hat gegen diese Bescheide Klage erhoben, mit der sie weiterhin die Kos-tenübernahme für eine Liposuktion im Bereich der Oberschenkel, Unterschenkel und dem Gesäß mit anschließender Oberschenkelstraffung weiterhin geltend macht. Bei Schmerzhaftigkeit und Bewegungsbehinderungen sei diese Maßnahme medizinisch notwendig.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016 zu verurteilen, die Kosten einer statio-nären Liposuktion an Oberschenkel, Unterschenkel und Gesäß sowie einer Ober-schenkelstraffung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmä-ßig. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft und eine ambulante Liposuktion ohne Genehmigung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erfasst.

Das Gericht hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts Befundberichte des Chirurgen U des Arztes für Allgemeinmedizin H, des L1 von der Klinik für Venerologie der I1 T. F Klinik P sowie der M von der L2 E1 E2 eingeholt. Des Weiteren hat es das Gutachten des Chirurgen, Gefäßchirurgen, Phlebologen - Lymphologie -, I, vom 15.09.2016 einge-holt. Zur weiteren Sachdarstellung wird auf diese Unterlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet. Die Klage ist insoweit begründet, als eine Liposuktion von Oberschenkel, Unterschenkel und Gesäßregion geltend gemacht wird. Hinsichtlich der Oberschenkelstraffung ist die Klage unbegründet.

I. Die Klage ist bezüglich der geltend gemachten Liposuktion von Oberschenkel, Unter-schenkel und Gesäßregion begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtswidrig. Der Klägerin steht ein Anspruch auf diese Behandlungsmaßnahme als stationäre Maß-nahme zu, §§ 11, 27 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).

Dieser Anspruch ergibt sich als Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere den Ausführungen des Gerichtssachverständigen I. Nach seinen Feststellungen liegt bei der Klägerin entgegen den Ausführungen...

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