Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnung von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und Berichtigung falscher Honorarbescheide
Orientierungssatz
1. Nach § 25 Abs. 2 SGB V haben Versicherte höchstens einmal jährlich Anspruch auf eine Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen.
2. Ob und inwieweit wiederholte Krebsvorsorgeuntersuchungen von Patientinnen medizinisch indiziert sind, ist unerheblich.
3. Richtigstellungen von Honorarbescheiden sind durch die Kassenärztlichen Vereinigungen innerhalb einer vierjährigen Ausschlussfrist nach Bekanntgabe des Bescheides zulässig.
4. Honorarrückforderungsansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung können auch verwirken.
5. Die Kenntnis einer lediglich jährlichen Anspruchsberechtigung auf Krebsfrüherkennungsuntersuchungen gehört zum Allgemeingut eines Gynäkologen. Eine falsche Abrechnung ist dennoch nicht grob fahrlässig.
Tenor
Der Abrechnungsbescheid vom 28.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 wird in Höhe von 109,01 EUR aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 19/20, die Beklagte zu 1/20. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind sachlich-rechnerische Berichtigungen für die Quartale 3/2003 bis 4/2004 in Bezug auf die Nr. 157 EBM (Krebsfrüherkennungs-Untersuchung).
Der Kläger ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Bis zum Jahresende 2004 war er in M zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Quartalskonto/Abrechnungsbescheid für das Quartal 2/2008 vom 28.10.2008 verfügte die Beklagte eine Belastung in Höhe von 1.978,41 EUR. Versicherte hätten höchstens einmal jährlich Anspruch auf eine Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen. Wegen der Mehrfachabrechnung dieser Untersuchungen pro Kalenderjahr sei die Abrechnung zu berichtigen gewesen. Ausweislich der beigefügten Fallnachweise wurde jeweils der zweite Ansatz der Nr. 157 EBM berichtigt, wobei sich der Berichtigungszeitraum auf die Quartale 3/2003 bis 4/2004 erstreckt.
Diesem Bescheid widersprach der Kläger und erhob die Einrede der Verjährung. Jedenfalls sei Verwirkung eingetreten. Aufgrund des Zeitablaufes von vier Jahren habe er nicht mehr damit rechnen müssen, in Anspruch genommen zu werden. Hinzu komme, dass die Beklagte ihm mit Schreiben vom 25.04.2005 mitgeteilt habe, von der Restzahlung für das Quartal 4/2004 in Höhe von 9.044,45 EUR werde vorsorglich ein Betrag von 1.044,45 EUR einbehalten, bis feststehe, dass kein Prüfungsverfahren anhängig sei und Forderungen der Krankenkassen nicht mehr bestünden. Dann solle der Betrag ausgezahlt werden, wobei als Termin der April 2006 genannt worden sei. Tatsächlich sei der einbehaltene Betrag im Jahre 2006 an ihn ausgekehrt worden. Durch das Zusammenspiel des Zeitmomentes mit diesem Umstandsmoment habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand gesetzt, der zur Verwirkung des Anspruchs führe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Prüfung habe ergeben, dass der Kläger die Krebsfrüherkennungsuntersuchungen nach Nr. 157 EBM bei 144 Patientinnen entgegen § 25 Abs. 2 SGB V mehr als einmal im Kalenderjahr abgerechnet habe. Honorarbescheide ergingen unter dem Vorbehalt einer späteren Kontrolle und könnten innerhalb von vier Jahren nach Erlass nachträglich berichtigt werden. Darüber hinaus sei bei ganz offensichtlichen Abrechnungsfehlern auch nach Ablauf dieser Frist eine Berichtigung möglich. Die Durchführung von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen in einem nicht zulässigen Abrechnungszeitraum sei als offensichtlicher Abrechnungsfehler anzusehen.
Hiergegen richtet sich die am 02.06.2009 erhobene Klage.
Der Kläger hält die Forderung der Beklagten weiterhin für verjährt, zumindest für verwirkt.
Der Kläger beantragt,
den Quartalsabrechnungsbescheid für das Quartal 2/2008 vom 28.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide insoweit beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), als diese auch für Quartale 3/2003 bis 2/2004 Honorarberichtigungen verfügen. Insofern sind die Be- scheide rechtswidrig. Im Übrigen, d.h. bezüglich der auf die Quartale 3/2004 und 4/2004 entfallenden Berichtigungen, sind die Bescheide rechtmäßig.
Die Beklagte ist nach § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen. Festzustellen ist hierbei, ob die Abrechnungen mit den Abrechnungsvorgaben des EBM, den Honorarverteilungsverträg...