Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. Teilnahme an außerschulischen Jugendfreizeiten. Umfang der Eignungsprüfung des Anbieters. Beobachtung durch den Verfassungsschutz kein Kriterium fehlender Eignung
Orientierungssatz
Allein die Beobachtung einer Organisation durch die Verfassungsschutzbehörden rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Annahme einer fehlenden Eignung zur Durchführung von außerschulischen Jugendfreizeiten und damit nicht die Verweigerung von Leistungen zur Bildung und Teilhabe für solche Jugendfreizeiten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende durch den Grundsicherungsträger. Dem Grundsicherungsträger steht demgemäß auch keine Prüfungskompetenz im Hinblick auf die verfassungsmäßige Eignung eines Trägers zu.
Tenor
1.) Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 29.06.2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18.10.2016 verpflichtet, den Klägerinnen für das Jahr 2016 Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 SGB II für die Teilnahme an Freizeiten in Höhe von jeweils 120 Euro zu gewähren.
2.) Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen.
3.) Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Bildung und Teilhabe nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Form der Gewährung eines monatlichen Zuschusses von 10 Euro für die Teilnahme der Klägerinnen an einer Jugendfreizeit vom 23.07. bis 13.08.2016 im Sommercamp T1 des Jugendverbandes "S1" der N - M Partei Deutschlands (NMPD).
Die minderjährigen Klägerinnen stehen gemeinsam mit ihrer Mutter als Bedarfsgemeinschaft im Leistungsbezug nach dem SGB II und nahmen vom 23.07. bis 13.08.2016 einem Sommercamp des Jugendverbandes "S1" der NMPD in T1 (U1) teil. Das Motto der Jugendfreizeit lautete " Sommercamp 0000 - Im Zeichen der Solidarität mit Flüchtlingen". Auf seiner Homepage ( ) hat der Jugendverband "S1" das Sommercamp 0000 wie folgt beworben:
"Das Sommercamp von S1 und S2 auf der Ferien- und Freizeitanlage U2 findet drei Wochen statt vom 23.07-13.08.2016. Man kann sich ab sofort für das Jugendcamp vom 23.07.-13.08. oder für das Kindercamp vom 30.07.-13.08. bei uns anmelden. Das Motto des Sommercamp ist "Rebellisches Sommercamp meets kurdische Flüchtlinge - Internationalismus live". Wir werden gemeinsam mit kurdischen Flüchtlingen unseren Urlaub auf dem Sommercamp verbringen, die im "Haus der T2" auf der Ferien- und Freizeitanlage wohnen. Das Camp wird praktische und solidarische Hilfe leisten, was auf gegenseitigem Lernen beruht. Es wird Sprachkurse deutsch-kurdisch und kurdisch-deutsch geben, ein vielfältiges Kultur- und Freizeitprogramm, Veranstaltungen zur Fluchtursache, und vieles mehr. In Kürze wird der Sommercamp Flyer erscheinen. Melde dich gleich hier für das Sommercamp an."
Die Kosten für die Teilnahme am Sommercamp belaufen sich pro Teilnehmer auf 255,00 Euro unter Inanspruchnahme eines Frühbucherrabattes.
Die NMPD sowie deren Jugendverband "S1" werden vom Verfassungsschutz des Landes Nordrhein - Westfalen beobachtet und u.a. im Verfassungsschutzbericht 2014 und 2015 im Bereich "M" erwähnt und beschrieben.
Am 22.06.2016 beantragten die Klägerinnen bei der Beklagten die Gewährung eines monatlichen Zuschusses von 10 Euro als Zuschuss zur Teilnahme an Freizeiten hinsichtlich der Teilnahme am Sommercamp in T1. Mit Bescheiden vom 29.06.2016 wurden die Anträge abgelehnt, da die es sich bei der Organisation "T1" und keinen geeigneten Anbieter im Sinne von § 29 SGB II handele, denn laut Verfassungsschutzbericht 2014 handele es sich bei der Organisation "S1" um eines der wichtigsten Beobachtungsobjekte des Linksextremismus. Entsprechend der vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein - Westfalen erlassenen Arbeitshilfe sind Vereine, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, nicht geeignet.
Gegen die Bescheide vom 29.06.2016 haben die Klägerinnen am 21.07.2016 Widerspruch erhoben. Der Ausschluss von bestimmten Leistungsanbietern verletze ihrer Meinung nach das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz (GG), der Leistungsanspruch habe sich vielmehr an den Wünschen der Jugendlichen zu entsprechen, die hier in der Teilnahme am Jugendcamp liegen. Mit Widerspruchsbescheiden vom 18.10.2016 wurden die Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen. Soweit konkrete Leistungsanbieter wie hier der Jugendverband "S1" von einer Berücksichtigung als geeigneter Leistungsanbieter ausgeschlossen werden, vermag dies nicht die Grundrechte der Klägerinnen berühren, da eine abweichende Bearbeitung im Vergleich zu anderen Hilfesuchenden nicht erkennbar sei. Schließlich seien die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung gemäß § 28 Abs. 7 in Verbindung mit § 29 Abs. 2 SGB II für alle Kinder gleich.
Am 10.11.2016 haben die Klägerinnen vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Sie meinen, dass die Überwachung des Jungendve...