Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Honorarkürzung wegen fehlender Fortbildungsnachweise

 

Orientierungssatz

1. Der Vertragsarzt hat gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) alle fünf Jahre den Nachweis zu erbringen, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach § 95d Abs 1 SGB 5 nachgekommen ist.

2. Die Regelung stellt nicht auf den Erwerb, sondern auf den Nachweis der erforderlichen Fortbildungspunkte ab. Erbringt der Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht oder unvollständig, so ist die KÄV zur Honorarkürzung nach § 95d Abs 3 S 4 SGB 5 gegenüber dem Vertragsarzt verpflichtet.

3. Die Sanktionsregelung des § 95d Abs 3 SGB 5 ist nicht unverhältnismäßig. Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG kommt nicht in Betracht.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig sind Honorarkürzungen wegen fehlender Fortbildungsnachweise.

Die Klägerinnen sind in Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) als hausärztlich tätige Fachärztin für Innere Medizin (Frau S) und Fachärztin für Allgemeinmedizin (Frau I) in C zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Unter Hinweis auf § 95 d SGB V kürzte die Beklagte das Honorar von Frau S mit Abrechnungsbescheiden vom 26.01.2010 (3/2009) um 4.871,50 EUR (10 %), 27.04.2010 (4/2009) um 4.619,99 EUR (10 %), 27.07.2010 (1/2010) um 4.765,30 EUR (10 %), 26.10.2010 (2/2010) um 5.246,49 EUR (10 %), 25.01.2011 (3/2010) um 13.185,71 EUR (25 %), 26.04.2011 (4/2010) um 14.406,83 EUR (25 %) und 26.07.2011 (1/2011) um 15.515,36 EUR (25 %). In Bezug auf Frau I kürzte die Beklagte mit den genannten Bescheiden für das Quartal 2/2010 das Honorar um 1.323,71 EUR, für das Quartal 3/2010 um 1.283,87 EUR, für das Quartal 4/2010 um 1.438,98 EUR und für das Quartal 1/2011 um 1.508,29 EUR (jeweils 10 %). Hiergegen unter dem 15.09.2011 eingelegte Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2012 wegen Verfristung als unzulässig zurück. Eine dagegen erhobene Klage zum Aktenzeichen S 2 KA 37/12 haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 05.03.2014 zurückgenommen.

Mit Abrechnungsbescheid für das Quartal 2/2011 kürzte die Beklagte das Honorar von Frau S um 13.311,17 EUR und das Honorar von Frau I um 5.295,53 EUR (jeweils 25 %). Einem hiergegen eingelegten Widerspruch gab sie mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2012 im Sinne einer Einzelfallentscheidung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht statt.

Unter dem 15.02.2012 stellten die Klägerinnen bei der Beklagten einen Antrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf Rücknahme der Honorarkürzungen für die Quartale 3/2009 bis 1/2011. Zu den maßgeblichen Stichtagen hätten beide Ärztinnen die Fortbildung im erforderlichen Umfang erfüllt bzw. übererfüllt und gegenüber der Ärztekammer Nordrhein nachgewiesen. Bedauerlicherweise habe diese die notwendigen Informationen nicht an die im selben Hause befindliche Beklagte weitergeleitet. Der Irrtum bei den Klägerinnen, die Fortbildungen an die "richtige Stelle" gemeldet zu haben, könne die Honorarkürzungen in dieser exorbitanten Höhe nicht rechtfertigen. Ziel von Sanktionen sei es nicht, diejenigen Ärzte zu bestrafen, die lediglich formal den Nachweis nur bei der Ärztekammer vorgelegt hätten, sondern diejenigen Ärzte zu sanktionieren, deren vertragsärztliche Leistungen durch mangelnde Fortbildung eine schlechtere Qualität aufwiesen.

Mit Bescheid vom 22.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Honorarbescheide seien rechtmäßig ergangen. Der Umstand, dass die Klägerinnen in den maßgeblichen Zeiträumen die Fortbildungspunkte korrekt erreicht hätten, sei der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses der Honorarbescheide nicht bekannt gewesen, da der Nachweis erst am 16.09.2011 bzw. 13.09.2011 geführt worden sei.

Hiergegen richtet sich die am 25.10.2012 erhobene Klage.

Die Klägerinnen beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Honorarkürzungen nach § 95 d SGB V in den Bescheiden vom 26.01.2010, 27.04.2010, 27.07.2010, 26.10.2010, 25.01.2011, 26.04.2011 und 26.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und den Klägerinnen den Kürzungsbetrag in Höhe von insgesamt 68.166,03 EUR auszuzahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung ihrer Honorarbescheide vom 26.01.2010, 27.04.2010, 27.07.2010, 26.10.2010, 25.01.2011, 26.04.2011 und 26.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2012 erneut über den Widerspruch der Klägerinnen gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2012 über die Rücknahme nach § 44 SGB X der erfolgten Honorarkürzungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden ,

weiter hilfsweise,

dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 de...

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