Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab. Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung. praxisindividuelle Honorarbegrenzung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Eine in einem Honorarverteilungsmaßstab geregelte Fallzahlzuwachsbegrenzung, die nicht allein auf die Überschreitung bestimmter genereller Fallzahlengrenzwerte abstellt, sondern an die individuellen Fallzahlen des jeweiligen Arztes im Vorjahresquartal anknüpft und dem Vertragsarzt eine Fallzahlzuwachstoleranz von 3 vH zugesteht, verstößt gegen höherrangiges Recht.
Normenkette
SGB V § 85 Abs. 4 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Der Quartalskonto/Abrechnungsbescheid der Beklagten für das Quartal III/1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002 wird hinsichtlich der Begrenzung des abrechenbaren Punktzahlvolumens gemäß § 7 HVM aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das vertragsärztliche Honorar des Klägers für das Quartal III/1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht neu festzusetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Honorarfestsetzung für das Quartal III/1999 hinsichtlich der Begrenzung des abrechenbaren Punktzahlvolumens gemäß § 7 des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM) in der ab 01.07.1999 geltenden Fassung.
Der Kläger ist seit 1992 als Augenarzt in D niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Das für seine Praxis gemäß § 7 HVM maximal abrechenbare Punktzahlvolumen ermittelte die Beklagte bei einem fachgruppendurchschnittlichen Punktzahlengrenzwert in Höhe von 882.583 Punkten auf der Grundlage des Bemessungszeitraums der Quartale III/1997 bis II/1998 mit 593.305,7 Punkten. Wegen der Begrenzung des abrechenbaren Punktzahlvolumens gemäß § 7 HVM berücksichtigte die Beklagte bei der Honorarfestsetzung für das Quartal III/1999 152.195,8 Punkte nicht, mit der Folge, dass bei einer Fachgruppenquote von 90,8901 die praxisindividuelle Quote des Klägers 72,8458 betrug. Den daraufhin gegen den Quartalskonto/Abrechnungsbescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Vorstand der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2002, auf dessen Inhalt wegen der Begründung Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage, zu deren Begründung der Kläger im Wesentlichen geltend macht, die Regelungen des § 7 HVM seien hinsichtlich der Behandlung unterdurchschnittlich abrechnender Praxen, die nicht mehr als Praxisneugründer anzusehen seien, nicht mit höherrangigem Recht zu vereinbaren.
Der Kläger beantragt,
den Quartalskonto/Abrechnungsbescheid der Beklagten für das Quartal III/1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002 hinsichtlich der Begrenzung des abrechenbaren Punktzahlvolumens aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das vertragsärztliche Honorar des Klägers ohne Begrenzung des abrechenbaren Punktzahlvolumens gemäß § 7 HVM neu festzusetzen,
hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte macht geltend, mengenbegrenzende Honorarverteilungsregelungen auf der Grundlage individueller Bemessungsgrundlagen, insbesondere auch wenn sie an individuelle Abrechnungswerte vergangener Quartale anknüpften, habe das Bundessozialgericht für rechtmäßig bzw. verfassungsgemäß erachtet. Mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei lediglich unvereinbar, wenn die mit der individuellen Bemessungsgrenze beabsichtigte Vergütungsbegrenzung neu gegründete oder unter dem Durchschnitt liegende Praxen faktisch daran hindere, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe steigern zu können. Diese Möglichkeit sei durch § 7 HVM jedoch gewährleistet. Die Zuerkennung eines erlaubten Zuwachses in Höhe von 3 % bezogen auf das Vorjahresquartal bis zum durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert der jeweiligen Fach-/Untergruppe sei ausreichend und rechtmäßig. Auch wenn Honorarbegrenzungen als Eingriff in das Recht auf freie Berufsausübung grundsätzlich strengen Prüfkriterien unterlägen, seien sie vorliegend im Interesse des Gemeinwohls gerechtfertigt. Mit der Einführung der Individualbudgets zum 01.07.1999 habe eine Leistungsbegrenzung herbeigeführt werden sollen, mit der den nordrheinischen Vertragsärzten der Ausstieg aus dem sogenannten "Hamsterrad" ermöglicht werde. Dies bedinge eine Limitierung des Wachstum mit der Ausnahme, dass lediglich Praxis ihre Punktzahlmenge steigern könnten, die unterhalb des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwertes der jeweiligen Fachgruppe abrechneten. Die Festlegung des erlaubten Zuwachses auf 3 % basiere auf Erfahrungswerten aus dem Anstieg des Leistungsbedarfs vergangener Jahre und sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass bei etablierten Praxen das über Jah...